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Hier habe ich ja schon über meine Wahl geschrieben und euch erzählt, weshalb Katharina Radtke mit ‚Schneestolz‘ meine Wahl und damit meine Kandidatin für die Blogbuster-Longlist war. Wie alle anderen Longlistkandidaten auch, hat auch sie den Fragenbogen beantwortet. Die Antworten findet ihr hier. Ich war aber dennoch neugierig und wollte mehr wissen.
Wie kam es eigentlich dazu, dass du dich entschlossen hast ein Buch zu schreiben?
Seit ich in der Schule schreiben gelernt habe, habe ich kleine Geschichten und „Bücher“ verfasst und Tagebuch geschrieben. Woher diese Faszination kam, kann ich nur vermuten: Als Kind wurden mir etliche Bücher vorgelesen, ich interessierte mich besonders für Fremdwörter und habe mit meiner kindlichen Neugier Sprache und Literatur entdeckt. Mein Opa väterlicherseits war Schriftsteller und hat Gedichte und Kriegsberichte verfasst, dadurch war er mir schnell ein Vorbild. Als ich neun Jahre alt war, ist meine Oma gestorben und mir wurde schlagartig bewusst, dass das Leben endlich ist. Meine Gefühle habe ich in einem Brief an sie festgehalten, den mein Opa mit in ihr Grab gelegt hat. Ich weiß nur aus Erzählungen meines Vaters, dass ihn das sehr gerührt hat. Vier Jahre später ist auch er gestorben. Später habe ich mir oft vorgestellt, dass er schon damals mein Interesse für das Schreiben erkannt hat und mir vorgenommen, irgendwann ein Buch zu schreiben, für ihn sozusagen. Auf jeden Fall ist es mein Lebenstraum, ein Buch (oder am liebsten ganz viele Bücher) zu schreiben.
Und jeder der irgendwann schreibt liest wahrscheinlich selbst gerne Bücher. Welche Autoren und Werke haben dich nachhaltig geprägt?
Vor meinem Germanistikstudium habe ich ständig gelesen, währenddessen ist mir dann ein bisschen die Zeit für und Lust auf „Privatlektüre“, wie wir das scherzhaft nannten, abhanden gekommen. In letzter Zeit versuche ich aber, wieder mehr zu lesen. Nachhaltig geprägt haben mich meist die tragischen Geschichten, darunter viele Klassiker wie Goethes Werther, Frankenstein und die Horrorgeschichten Edgar Allan Poes. Stark beeindruckt hat mich außerdem die mittelalterliche deutsche Literatur und dabei vor allem die immer noch aktuelle Mystik. Es geht um religiöse und philosophische Fragen – kurz gesagt darum, wie der Mensch zu seinem göttlichen Ursprung finden kann und was es eigentlich bedeutet, ein Mensch zu sein.
Wie viel von dir selbst steckt in deinem Buch?
Die Frage kann man eigentlich nur mit „alles und nichts“ beantworten. Theoretisch kann ich nichts produzieren, was nicht an allen Ecken und Enden mit mir selbst verflochten ist und tatsächlich habe ich ja die Schauplätze des Romans bereist oder dort gelebt. Andererseits waren diese eigenen Erfahrungen immer nur Aufhänger, ein Startpunkt, von dem aus meine Protagonisten ihren eigenen Weg gegangen sind. Manchmal ging dieser Weg in eine ganz andere Richtung, als ich eigentlich wollte, aber da muss man loslassen und vertrauen.
Stand die Idee für „Schneestolz“ schon lange oder hast du viele andere Ideen verworfen, bis dieser Roman entstand?
Ich habe zwar in meiner Jugend viele Ideen gehabt und wieder verworfen, aber die Idee für „Schneestolz“ war ganz plötzlich da. Erst war es nur ein Gefühl, das ich dann zu fassen versucht habe. Nach und nach sind Charaktere, der Plot und einzelne Szenen vor meinem inneren Auge dazugekommen und zum Schluss fand sich nicht jedes Puzzleteil, das einmal zur Idee gehörte, darin wieder, aber das ist nicht schlimm.
Wie wichtig ist Literatur für dich persönlich?
Literatur ist für mich eine Möglichkeit, etwas Bleibendes zu schaffen und Menschen zu berühren. Mir ging und geht es selbst so, dass mir Literatur in schweren Zeiten Kraft gibt oder Trost spendet und das möchte ich gerne weitergeben. Meine persönliche Lebenseinstellung ist, dass nur das zählt, was wir in anderen bewirken oder für andere tun. Ich denke da auch oft an Hilde Domins Gedicht „wie wenig nütze ich bin“: „Ich gehe vorüber – aber ich lasse vielleicht den kleinen Ton meiner Stimme, mein Lachen und meine Tränen und auch den Gruß der Bäume am Abend auf einem Stückchen Papier. Und im Vorbeigehn ganz absichtslos, zünde ich die ein oder andere Laterne an in den Herzen am Wegrand.“
Wo siehst du dich in zehn Jahren?
In zehn Jahren bin ich hoffentlich noch genauso glücklich wie jetzt, lebe mit meinem Mann, meinem Sohn, noch ein, zwei weiteren Kindern und einem Mops namens Fran oder Frank (je nachdem) in unserem schönen Haus auf dem Land in Thüringen. Ich arbeite als Deutsch- und Englischlehrerin, wo ich junge Menschen für Sprache und Literatur begeistern kann und schreibe ab und zu nebenbei das ein oder andere Buch …
Und was machst du, wenn du nicht gerade einen Roman schreibst?
Demnächst beginne ich nach meinem Studium, an einer Schule zu unterrichten. Vorher muss noch ein Umzug über die Bühne gehen und dann ist da noch meine Freiberuflichkeit, sodass man mich mit Sicherheit am Schreibtisch findet, wo ich korrigiere oder einen Roman übersetze. Natürlich nur, wenn mein 10-monatiger Sohn es dazu kommen lässt, denn meistens hängt er bei Mama am „Rockzipfel“ und möchte von dort aus die Welt erkunden oder ein Buch vorgelesen bekommen.
Katharina Radtke ist Jahrgang 1990 und hat in Freiburg und Oxford Germanistik und Anglistik studiert. Das eigene Buch ist für sie ein Kindheitstraum und die eine Sache, die sie im Leben getan haben wollte. Nach der Geburt ihres Sohnes 2016 war die Zeit endlich reif dafür und so wanderte das Manuskript zum Blogbuster. Sie lebt mit Mann, Sohn und jeder Menge antiken Büchern als freie Texterin und Übersetzerin in der Nähe von Leipzig.
Zur Leseprobe geht es hier.
1 Kommentar
Huhu!
Ich finde das Blogbuster-Projekt unheimlich spannend – und ich kann schon mal sagen, dass ich „Schneestolz“ kaufen würde, sollte es tatsächlich als Buch erscheinen.
Die Antwort auf die erste Frage hat mich bewegt, denn ich kann mir vorstellen, dass der Großvater sehr gerührt war und es ihn auch getröstet hat.
Ein bisschen ging es Katharina Radthke anscheinend mit dem Germanistikstudium wie mir mit meiner Arbeit als Sortimentsbuchhändlerin (die ich schon seit einigen Jahren nicht mehr ausübe): ich hatte das Gefühl, ich lese gar nicht mehr aus Spaß und nur für mich selbst, sondern es ist alles irgendwie Pflichtlektüre. Seit ich „nur“ noch Bloggerin bin, lese ich ganz anders.
Auch die Antwort auf die Frage, wie wichtig ihr Literatur ist, hat mich berührt, und dieses Gedicht ist wunderbar – ich glaube, das möchte ich zu meinem heimlichen Lebensmotto machen.
Ich drücke ihr die Daumen, dass ihr Lebenstraum mit Mann, Kindern, Mops und allem drum und dran Wirklichkeit wird!
Ich habe diesen Beitrag HIER für meine Kreuzfaht durchs Meer der Buchblogs verlinkt!
LG,
Mikka