*Werbung / Buch jetzt! Und lies dich nach Kanada. Das Gastland der Frankfurter Buchmesse 2021 ist Kanada und das ist ein guter Grund, sich auch mit der dortigen Literatur und den wunderbaren Büchern zu beschäftigen. Das habe ich hier gemacht und möchte dir heute das Buch „Feminist City“ von Leslie Kern näher vorstellen. Und bevor ich ausführlicher auf den Inhalt eingehe, kann ich bereits folgendes dazu schreiben: Lies das Buch!
In dieser Woche steht eine Veranstaltung an, die sich voraussichtlich bis spät abends zieht. Woran denke ich dabei zuerst? Nicht etwa daran, was ich bei dieser Veranstaltung anziehen werde. Oder wen ich treffen werde. Oder ob ich wirklich Lust darauf habe. Ich denke immer zuerst daran, in welcher Gegend diese Veranstaltung stattfindet und wie ich am besten wieder nach Hause komme. Öffentliche Verkehrsmittel zählen nämlich zu den Orten, die ich alleine und nachts sehr gerne meide. Warum ist das so? Dieses Buch gibt vielleicht Aufschluss darüber, denn eines ist ganz sicher: Ich bin nicht die einzige Frau, die so denkt und handelt.
„Jede Frau kann eine Geschichte davon erzählen, wie sie an einer entfernten U-Bahn – oder Bushaltestelle ausgestiegen ist, weil sie Angst hatte, dass jemand ihr folgt, oder eine lange und gewundene Strecke nach Hause genommen hat, um sicherzustellen, dass sie wirklich allein unterwegs war. Wir vermeiden Abkürzungen durch unbeleuchtete Wege und Parks. Wir variieren unsere Wegstrecken und halten unsere Schlüssel in unseren Fäusten. Wir tun so, als würden wir telefonieren. Wir meiden bestimmte Orte vollständig. Das alles ergibt eine ermüdende Summe an sowohl routinierten als auch spontanen Sicherheitsentscheidungen und bedingt die Notwendigkeit einer immerwährenden Acht- und Aufmerksamkeit gegenüber Sicherheitsfragen.“ (S. 161/162)
Wer gestaltet die Stadt?
Die kanadische Autorin Leslie Kern ist assoziierte Professorin für Geografie und Ökologie und Direktorin der Frauen- und Geschlechterstudien an der Mount Allison University. Sie veröffentlichte bereits Bücher, schreibt einen eigenen Blog, twittert über Feminismus, sowie urbane und akademische Themen und lehrt Geografie mit einem Fokus auf eben diese Punkte. In ihrem Buch „Feminist City“ spricht sie genau diese Themen an und zeigt Lösungen und Möglichkeiten auf. Sie liefert einen intersektionalen Ansatz, mit dem Städte neu betrachtet werden können und der Augen öffnet, wie ein Weg in eine lebenswerte urbane Zukunft gelingen kann.
Kern geht auf fünf essentielle Punkte ein und greift dort Studien, eigene Beobachtungen und tatsächliche Geschehnisse auf. Sie schreibt unter anderem über Frauen in der Öffentlichkeit, weibliche Ängste, Geschlechterrollen im Aktivismus, Freundschaften und Mutterschaft. Und sie schreibt dabei so viele Dinge, die einen beim Lesen auf ganz unterschiedliche Weise bewegen. Viele Dinge waren mir nicht neu und wenn man sich mit Feminismus auseinandersetzt und vielleicht auch bereits Bücher zum Thema gelesen hat, dann wird man von manchen Dingen bereits gehört haben. Trotzdem erzeugt dieses Buch eine große Bandbreite an Gefühlen. Wut, Enttäuschung, ein Stück weit auch Trauer darüber, dass Frauen* mit so vielen Hürden und Hindernissen zu kämpfen haben. Und das immer noch. Manchmal wünschte man sich noch, dass wir schon weiter wären und dann stellt man doch fest, dass dem nicht so ist.
Wir leben in Städten, die konzipiert und entwickelt wurden von weißen cis Männern, deren Bedürfnisse und Wünsche ideal abgedeckt wurden. Männer, die als Maßstab für die Gesellschaft herangezogen wurden, auch wenn deren Maßstab von der Realität eigentlich weit entfernt ist. Wenn man in der Stadt unterwegs ist und die Augen öffnet, dann wird schnell auffallen, dass man gegenüber dem männlichen Geschlecht sehr schnell den Kürzeren zieht. Insbesondere auch dann, wenn man vielleicht sogar Mutter ist. Leslie Kern zeigt viele Wege und Möglichkeiten auf, wie man mit einfachen Änderungen schnelle Verbesserungen erzielen könnte. Wichtige Änderungen, die so vielen Menschen zu Gute kommen würden. Ob barrierefreie Beförderung, freigeräumte Straßen im Winter, bezahlbarer Wohnraum, Mindestlohn, der zum Leben reicht, sichere und saubere öffentliche Toiletten oder Gemeinschaftsräume. Das sind nur einige der Beispiele, die in diesem Buch erwähnt werden.
Die Autorin greift in ihrem Buch aber auch weitere Themen auf und schreibt zum Beispiel auch über eine sexistische, rassistische, trans- und homophobe und ableistische Gesellschaft. Unzählige Fragmente, Sätze und Worte habe ich hier markiert und angestrichen. Ausführungen sind immer auch mit Quellenangaben und Studien untermauert und machen noch einmal mehr deutlich, dass eigentlich ein dringender Richtungswechsel unbedingt notwendig wäre.
„Ich weiß, dass der bloße Akt des Sitzens und Lesens an einem öffentlichen Ort irgendwann die Aufmerksamkeit eines Mannes erregen wird, der wissen will, was ich lese. Selbstverständlich werde ich nie unterbrochen, wenn ich mit einem Mann dasitze, um zu lesen oder zu schreiben. Das Problem ist Folgendes: Von einer Frau, die allein ist, wird immer angenommen, dass sie für andere Männer verfügbar ist. Das greift auf die Vorstellung von Frauen als Besitz von Männern zurück. Wenn eine Frau in der Öffentlichkeit nicht klar durch die Anwesenheit eines anderen Mannes oder offensichtlichen Signale wie einen Ehering […] als Besitz gekennzeichnet ist, ist sie Freiwild.“ (S. 108)
Ihre Worte und Ausführungen habe ich regelrecht verschlungen und wollte unbedingt lesen, was die Autorin zu sagen hat. Trotz aller unangenehmen Wahrheiten, wutmachenden Worte und Tatsachen schenkt sie auch ein Stück Hoffnung. Darauf, dass es Menschen gibt die Ideen und Ansätze haben, es Möglichkeiten zur Weiterentwicklung und Umgestaltung gibt und wir als Gesellschaft vielleicht noch nicht verloren sind. Es ist ein fortwährendes Experimentieren und ein stetiger Prozess, es gibt keinen Masterplan. Wichtig ist es am Ball zu bleiben und wahrzunehmen. Denn die Wahrnehmung als solches ist der erste Schritt in die richtige Richtung und der erste Schritt zur Änderung. Das sollten wir uns alle bewusst machen.
Wenn du jetzt Lust hast, noch weitere wunderbare Bücher kanadischer Autor*innen zu entdecken, dann findest du hier bei Lovelybooks eine umfassende Liste mit Buchtipps und Empfehlungen. Vielleicht willst du Kanada nun auch literarisch erkunden?
Fazit
Leslie Kern hat mich mit „Feminist City“ sehr begeistert und mir viele Informationen an die Hand gegeben, die mir tatsächlich in diesem Umfang noch nicht bewusst waren. Mit ihren umfangreichen Ausführungen hat sie mir wieder ein Stück weit mehr die Augen geöffnet und mir Situationen aufgezeigt, auf die ich ab jetzt noch mehr achten werde. Sie machte mich wütend, traurig und nachdenklich und hat dennoch auch eine Spur Hoffnung zurückgelassen. Dieses Buch ist unglaublich wichtig und stark und eine absolute Leseempfehlung.
Feminist City von Leslie Kern – aus dem Englischen von Emilia Gagalski – Unrast Verlag – 192 Seiten – ISBN 978 3 897 713 321 – Paperback – 14,80 Euro
*Dieser Beitrag ist in Zusammenarbeit mit Canada FBM 21 entstanden. Meine Meinung blieb davon unberührt.
3 Kommentare
Hallo Petzi, das Buch spricht mich optisch schon sehr an und deine Rezension lässt ja nur Gutes vermuten.
Zeilentänzerin
Allein schon der Titel ist grandios. Danke für deine wertvolle Rezi!
Trotz oder genau wegen Leslies „unangenehmer Wahrheiten & wutmachenden Worte“ wandert dieses Werk direkt auf meinen SUB 🙂
Ganz liebe Grüße sendet Olivia von https://vivalaliviagrove.wixsite.com/oliviagrove
Hallo Olivia,
das ist auf jeden Fall eine gute Wahl. 🙂
Liebe Grüße
Petzi