„Mit jedem Buch kann ich in ein neues, spannendes Thema einsteigen“ – Anne Friebel von Palomaa Publishing im Gespräch

von Petzi

Es gibt unzählige Verlag im deutschsprachigen Raum und viele Bücher, die jährlich auf den Markt kommen. Manchmal ist es gar nicht so leicht, wirklich alle lesenswerten Titel auf dem Schirm zu haben und den Überblick zu behalten. Besonders kleine Independent Verlage gehen in der Masse oft unter. Anne Friebel gründete 2020 Palomaa Publishing und möchte mit ihrem Verlag Autorinnen* und Künstlerinnen* eine Bühne geben. Sie verlegt nicht nur lesenswerte Bücher und eBooks, sondern auch Art Prints und zeitlose Kalender. Der Fokus liegt hier auf Sachbüchern und Ratgeber, die zum Beispiel Themen wie Frauengesundheit, Gleichberechtigung, persönliche Weiterentwicklung oder auch Working Mums umfasst.

Ich bin absolut begeistert von der Idee, Aufmachung und der Umsetzung der Bücher und kann dir nur empfehlen, dich einmal ausführlicher mit dem Verlagsprogramm zu befassen. Natürlich hatte ich aber auch einige Fragen im Gepäck, die mir Anne ausführlich beantwortet hat. Vielleicht kannst du auch etwas für dich selbst mitnehmen.

Liebe Anne, vielen Dank für deine Zeit. Möchtest du uns vielleicht gleich zu Beginn davon erzählen, wie die Idee entstand, einen eigenen Verlag zu gründen, der ausschließlich Autorinnen* und Künstlerinnen* verlegt und wer ist eigentlich Anne?

Sehr gern! Ich muss dazu gleich sagen, dass mich die Themen Gleichberechtigung und Feminismus schon mein ganzes Leben lang begleiten. Ich habe in den zehn Jahren vor der Verlagsgründung zum Beispiel meine Diplomarbeit zur kritischen Auseinandersetzung mit Frauen*magazinen geschrieben, einen Onlineshop für nachhaltige Frauen*produkte betrieben und war CMO eines Startups, das Lovetoys speziell für Frauen* entwickelte. Auch privat wissen alle um mich herum, dass sie bei mir mit Themen wie Care-Arbeit, Gender Pay Gap oder Gender Medizin genau richtig sind. Als es dann 2019 Zeit für eine berufliche Neuorientierung war, habe ich überlegt, wie ich diese Leidenschaft mit abwechslungsreichen Projekten verbinden kann, die Frauen* sichtbar machen. Erst dachte ich, selbst Bücher zu schreiben, könnte ein Weg sein. Dann wurde mir klar, dass ich als Verlegerin noch viel mehr bewegen könnte, da ich viele verschiedene Frauen* veröffentlichen und auch mit jedem Buch in ein neues, spannendes Thema einsteigen kann. Et voilà – die Idee zum Verlag war geboren.

Was gefällt dir an deinem Job am meisten? Worauf könntest du auch verzichten?

Das Wunderbare an meiner Arbeit als Verlegerin ist ganz klar die Verbindung mit den vielen inspirierenden Frauen* um mich herum. Ich arbeite neben meinen Autorinnen* mit Kolleginnen* aus dem Buchsatz, der Grafik, der Pressearbeit, mit Fotografinnen*, Journalistinnen* und Projektmanagerinnen*. Ich liebe es auch einfach, immer wieder in neue Themen einzutauchen und mehr über die Perspektive anderer zu erfahren.

Verzichten könnte ich auf Teile meiner Arbeit wie Buchhaltung oder Logistik, was einfach viel Administration ist und in denen ich nicht ganz so gut meine Stärken ausleben kann. Aber auch das gehört zur Arbeit dazu und vor allem in einem kleinen Verlag übernimmt man als Verlegerin eben viel mehr Aufgaben als “nur” das Kerngeschäft.

Palomaa Publishing verlegt spannende Bücher, die denen aus großen Verlagen in nichts nachstehen

Woher kommt der Name Palomaa Publishing?

Es gibt im Spanischen das Wort “Paloma”, was Taube bedeutet und für mich Frieden und das Gute in der Welt repräsentiert. Und es gibt den Frauen*name “Paloma”, wie ich ihn bei Paloma Picasso kennengelernt habe. Ich finde den Name sehr weiblich und in Verbindung mit der Bedeutung für “etwas Gutes in die Welt bringen” passt es für mich einfach zu dem, was ich tun möchte. Das zweite A in “Palomaa” machte das Ganze für mich dann rund.

Palomaa Publishing hat bereits spannende Bücher von tollen Frauen verlegt, die Büchern aus großen Verlagen in nichts nachstehen.

Kannst du schon etwas über kommende Buchprojekte verraten, die demnächst anstehen?

Ich freue mich auf die überarbeitete Neuauflage unseres Buches “Vertrauen nach Fehlgeburt”, die im April 2022 kommen wird. Das Buch war mein erstes verlegtes Buch in 2020 und hat sich fast zu einem Klassiker im Bereich Fehlgeburt entwickelt. Die Autorin Rosa Koppelmann hat sich daraus mittlerweile ein sehr erfolgreiches Business aufgebaut, indem sie Familien nach Fehlgeburtserfahrung auf vielfache Art begleitet. Das ist natürlich toll zu sehen, was so ein Buch bewirken kann, sowohl bei der Autorin* als auch bei den Leser*innen. Die Neuauflage wird dann manche Kapitel noch ausführlicher behandeln und auch komplett neue Aspekte und Kapitel aufgreifen.

Im Herbst folgen dann zwei weitere spannende Bücher, eines zum Thema persönliche Weiterentwicklung und eines über ganzheitliche Ernährung in der Schwangerschaft. Außerdem arbeiten wir für 2023 an Buchprojekten zu toxischen Narrativen über Frauen* sowie über Selbstsabotage in Beziehungen.

Und darüber hinaus werden weitere eBooks speziell für Autorinnen* erscheinen – nach unserem eBook “Von der Buchidee zum Verlag” bringen wir diesen Februar einen weiteren Ratgeber zum konzentrierten Schreiben und dieses Jahr vielleicht noch ein drittes eBook heraus.

Es wird auf jeden Fall ein ganz intensives, spannendes Jahr, auf das ich mich sehr freue.

Welches deiner verlegten Bücher hat dich selbst auch persönlich am meisten bereichert?

Mit “Vertrauen nach Fehlgeburt” habe ich natürlich sehr viel gelernt, einfach weil es mein allererstes Buch war. Vom Lektorat bis zum Testdruck und der Pressearbeit nach Veröffentlichung war das wirklich meine Feuertaufe als Verlegerin. Das war sicher ein ganz wichtiger Grundstein meiner heutigen Arbeit.

Was mich aber wirklich viel zum Thema gendergerechte Sprache, Vielfalt und Projektmanagement gelehrt hat, war unser Buch “Bis eine* weint! – ehrliche Interviews mit Müttern zu Gleichberechtigung, Care-Arbeit und Rollenbildern”. Hierfür haben wir uns extra eine Beratung geholt zum Thema inklusive Sprache, denn die Autorinnen Nicole Noller und Natalie Stanczak wollten allen Müttern* und Formen der Mutter*schaft sprachlich gerecht werden. Das hat mich sehr bereichert und zum Beispiel dazu geführt, dass ich heute – zum Beispiel in diesem Text – unterscheide zwischen dem Wort “Frauen” ohne Genderstern, wenn entweder die stereotype weibliche Zuschreibung gemeint ist oder sich die erzählende Person selbst als weiblich gelesen definiert, und dem Wort “Frauen*” mit Genderstern, wenn ich wirklich alle Formen des Frau*seins und des Weiblichen* ansprechen möchte und nicht weiß, ob sich die betreffende Person als weiblich gelesen definiert. Ich weiß, dass dies ein sehr umstrittenes Thema ist. Aber letztlich hat mir unser Buch “Bis eine* weint!” dabei geholfen, hier meinen eigenen Weg zu finden und mir ein neues Bewusstsein dafür geschaffen.

First of all: Alles ist möglich!

Was würdest du Frauen raten, die selbst die Überlegung haben zu gründen? Ganz egal, ob es sich um einen Verlag handelt oder ein ganz anderes Business?

First of all: Alles ist möglich! Dass man sich in fast alles reinarbeiten kann und den eigenen Möglichkeiten keine Grenzen gesetzt sind, habe ich besonders im Buch “Everything is figuroutable!” von Marie Forleo gelernt. Das kann ich nur jede*r empfehlen zu lesen. Das war für mich ein guter Einstieg in das richtige Mindset zum Gründen.

Ansonsten: Do the work! Egal, was du anpackst, sei bereit, noch einmal von vorne anzufangen und vieles neu zu lernen. Setz dich hin und lies dich ein, sprich mit Leuten aus der Branche, bilde dich weiter. Ich habe bis 2020 noch nie ein Buch verlegt und habe mir vier Monate Zeit genommen, um Bücher und Websites zu wälzen, mich in Branchenmagazine einzulesen, Kontakt mit anderen jungen Verlegerinnen aufzunehmen, Druckereien zu sondieren.

Und wenn du dann das Gefühl hast, du verstehst einigermaßen, wie der Hase läuft, dann leg los. Warte nicht, bis du vermeintlich perfekt vorbereitet bist. Das wirst du nie sein. Starte stattdessen mit einem kleinen Projekt, mit einer low hanging fruit. Ich habe mein erstes Buch mit Rosa gemacht, einer Bekannten, die ich schon aus früheren Projekten kannte. Mit ihr konnte ich direkt unkompliziert loslegen, wir haben uns auf Anhieb verstanden und bis heute ein tolles Verhältnis. Später kamen dann Autorinnen hinzu, die ich vorher nicht kannte und heute ist das natürlich mein Tagesgeschäft, mit mir Unbekannten über ihre Buchprojekte zu sprechen.

Also: Go for it, arbeite dich ein, starte mit einem MVP und wachse dann in dein Business hinein.

„Warte nicht, bis du vermeintlich perfekt vorbereitet bist. Das wirst du nie sein. Starte stattdessen mit einem kleinen Projekt, mit einer low hanging fruit.“

Anne Friebel

Was tun, wenn eine meiner Leserinnen vielleicht selbst ein Buch geschrieben hat, welches perfekt zu Palomaa Publishing passt? Gibt es Chancen? Lohnt es sich, sich bei dir zu melden?

Natürlich! Ihr könnt eure Buchideen einfach an hallo@palomaapublishing.de senden. Beachtet aber bitte, dass wir ausschließlich Sachbücher und Ratgeber verlegen, keine Belletristik, keine Lyrik, keine Krimis, Comics oder anderes. Schickt uns eine Leseprobe mit Arbeitstitel und ein Exposé, in dem wir mehr zu euch und der Buchidee erfahren. Das hilft uns immer sehr, zu beurteilen, ob wir gut zusammenpassen. Und wenn ihr euch mehr Support wünscht, schaut mal in unser eBook “Von der Buchidee zum Verlag” rein, dort findet ihr eine Schritteanweisung für die Verlagsbewerbung.

Über welches Thema würdest du gerne noch ein Buch verlegen? Oder hast du vielleicht sogar den Plan selbst eines zu schreiben?

©Christiane Gundlach

Tatsächlich habe ich zwei, drei Buchprojekte von mir selbst in der Schublade, aber das ist noch nicht spruchreif. Das muss sich noch entwickeln und ich muss dafür auch Zeit finden, was durch die vielen neuen Projekte mit Autorinnen*, die ich ebenfalls unheimlich gerne machen möchte, nicht so einfach ist.

Ich halte es aber insgesamt für wichtig, dass es mehr Informationen und Aufklärung in Deutschland zum Thema Abtreibung gibt. Dazu sollte es mehr Bücher geben. Außerdem finde ich alles rund um Doppelkarrierefamilien spannend, auch hier bin ich offen für Buchprojekte.

Liest du privat auch viele Sachbücher oder auch mal einen Roman? Und welche Bücher (ganz egal aus welchem Verlag) haben dich zuletzt bereichert und begeistert?

Ich lese neben meinen Verlagsprojekten natürlich auch privat sehr viele Bücher, vielleicht 70% Sachbücher und 30% Romane. Das meiste von Frauen*, einiges auch von Männern*. Aktuell lese ich erneut “Das Ende ist mein Anfang” von Tiziano Terzani. Richtig begeistert hat mich vor Weihnachten “Ungezähmt” von Glennon Doyle und beeindruckt haben mich zuletzt “Kein Ruhestand” von Irene Götz zum Thema Altersarmut bei Frauen*, aber auch “Unter Leuten” von Juli Zeh.

Vielen lieben Dank für deine Zeit.

Ich danke auch und sende liebe Grüße!

The Female Publisher

Anne und Josefine von Palomaa Publishing haben ganz neu auch ein wunderbares Netzwerk ins Leben gerufen:

Mit The Female Publisher möchten wir Frauen* in der Verlagsbranche sichtbar machen und untereinander vernetzen. Wir möchten Wissen teilen und uns gegenseitig empowern. Wir möchten für mehr Gleichberechtigung in der Verlagswirtschaft einstehen und einen Austausch auf Augenhöhe fördern. Wir möchten gemeinsame Aktionen und Kooperationen ins Leben rufen, die mehr Kraft entfalten können als die Maßnahmen einzelner Verlage. Mehr Infos gibt es auf der Homepage.

Wenn du jetzt neugierig geworden bist, dann schau doch auch auf dem Instagram-Kanal von @palomaa_publishing vorbei. Dort gibt es aktuell auch die Chance ein Buch aus dem Programm zu gewinnen.

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