Das Buch und meine Besprechung thematisieren häusliche Gewalt. Sollte dich das zu sehr belasten, solltest du an dieser Stelle nicht weiterlesen.
Liebe ist gewaltig – ein Titel, der mir sofort ins Auge gestochen ist und ein Buch, das ich an einem Tag regelrecht verschlungen habe. Obwohl das Thema kein leichtes ist und ich stellenweise immer mal wieder sehr stark schlucken musste. Wie es Claudia Schumacher gelingt Worte dafür zu finden, finde ich sehr beeindrucken und deshalb will ich dieses Buch in meiner Rezension auch unbedingt empfehlen.
Von Gewalt, von Zärtlichkeit und der Macht der Befreiung
Es geht um Juli, die in einer wahren Vorzeigefamilie aufwächst und nach außen hin alles hat, was man sich nur wünscht. Gebildete und beruflich erfolgreiche Eltern, sie selbst schreibt gute Noten und ist die beste ihrer Klasse. Doch in der Kleinstadtvilla ist alles mehr Schein als Sein. Der Vater drillt die Kinder zu Höchstleistungen und wird regelmäßig gewalttätig. Die ganze Familie leidet darunter. Als Juli älter wird fordert sie ein Ende der Gewalt, rebelliert gegen die Eltern, doch die streiten alles ab. Gewalt gäbe es in der Familie nicht. Irgendwann stellt man sich also selbst die Frage, ob man den eigenen Erinnerungen noch trauen kann. Juli versucht sich von ihren Eltern zu befreien und irgendwie auch vom eigenen Ich.
Autorin Claudia Schumacher erzählt die Geschichte in drei großen Abschnitten und begleitet Juli durch verschiedene Bereiche ihres Lebens. Zu Beginn befindet sie sich in einer psychiatrischen Einrichtung. Offenbar hat sie versucht sich das Leben zu nehmen. Trotz der Schwere des Themas ist mir die Protagonistin aber sofort sympathisch. Die Autorin zeichnet Juli unglaublich verletzlich, stetig auf der Suche nach Liebe und Anerkennung, gleichzeitig auch sarkastisch und humorvoll und man kann kaum aufhören, ihrer Geschichte zu folgen.
Es ist eine Aufzeichnung darüber, wie es wahrscheinlich weltweit in vielen Haushalten ganz aktuell abläuft. Was wiederum vor Augen führt, in welcher privilegierten Situation man sich befindet, wenn man sich über Gewalt und Misshandlung keine Gedanken machen muss. Trotz der Gewalt und Strenge des Vaters schaut Juli auch immer zu ihm auf, liebt ihn auf ihre Art und Weise. Es ist ihr wichtig, was er von ihr denkt und wie er ihre Leistungen beurteilt. Sie möchte ihn beeindrucken, denn sie merkt schnell, dass man nur so eine Verbindung zu ihm aufbauen kann. Gleichzeitig beneidet sie auch ein Stück weit ihre älteste Schwester, die sich erfolgreich von der Familie distanziert hat und sich absolut nicht dafür interessiert, was ihr Vater von ihr denkt.
„Glaubt man meinen Eltern, dann sind viele Dinge, die ich mit eigenen Augen gesehen habe, nie passiert.“
Häufig versucht sie ihre Mutter auf ihre Seite zu ziehen, aufzuzeigen, was in ihrer Ehe schiefläuft. Die jedoch verschließt die Augen vor der Gewalt ihres Mannes. Sie ist nicht einfach nicht existent, solange man nicht darüber spricht. Alle aus der Familie rebellieren auf ihre eigene Art und Weise. Die ersten beiden Abschnitte sind aus der Ich-Perspektive von Juli geschrieben und entfalten eine so große Sogwirkung, dass ich regelrecht an den Seiten klebte und das Buch nicht pausieren wollte. Trotz der Dramatik und des ernsten Themas schafft es Schumacher aber auch ganz viel schwarzen Humor und tatsächlich auch Momente der Leichtigkeit einfließen zu lassen, was mir als Leserin sehr half mit der Schwere des Themas umzugehen.
Im dritten und letzten Abschnitt wechselt die Erzählperspektive plötzlich, was ich zu Beginn kurzzeitig verwirrend fand, sich aber am Ende perfekt ins Gesamtbild gefügt hat. Ich hätte tatsächlich nicht mit dieser Form des Ausgangs gerechnet und möchte an der Stelle auch nichts verraten. Insgesamt passt es jedoch sehr zur Erzählung und zeigt gleichzeitig auf, was psychische und physische Gewalt mit der Seele eines Menschen anstellen.
Fazit
Mit ihrer kraftvollen und intensiven Sprache, großer Erzählkunst und einer starken Protagonistin hat mich Claudia Schumacher absolut überzeugt. „Liebe ist gewaltig“ macht wütend und traurig, berührt und lässt nicht los. Ein wunderbares Debüt, das ein schwieriges Thema behandelt, ziemlich klug ist und noch lange nach dem Lesen beschäftigen wird. Für mich eine Empfehlung.
Liebe ist gewaltig von Claudia Schumacher – dtv Verlag – 376 Seiten – ISBN 978-3-423-29015-9 – Hardcover – 22,- Euro – bei Amazon kaufen* – via genialokal im Buchhandel kaufen
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3 Kommentare
Hallo Petra, ich finds erst einmal super, dass du zu Beginn deiner Rezension auf die kritischen Themen im Buch aufmerksam machst. Ich habe schon einige Besprechungen zum Buch gelesen und auch dein Fazit bestätigt die breite Meinung, sodass ich mich sehr auf das Buch freue.
Liebe Grüße,
Zeilentänzerin
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