Die junge Elsässerin Mathilde verliebt sich am Ende des Zweiten Weltkriegs in Amine Belhaj, einen marokkanischen Offizier im Dienst der französischen Armee. Die beiden heiraten und ziehen in die Nähe von Meknès auf einen abgelegenen Hof. Während er versucht, dem steinigen Boden einen kargen Ertrag abzutrotzen, zieht Mathilde die beiden Kinder groß. Voller Freiheitsdrang hatte sie den Aufbruch in ein neues, unbekanntes Leben gewagt und muss doch bald ernüchternde Erfahrungen machen: den alltäglichen Rassismus der französischen Kolonialgesellschaft, in der eine Ehe zwischen einem Araber und einer Französin nicht vorgesehen ist, die patriarchalischen Traditionen der Einheimischen, das Unverständnis des eigenen Mannes. Aber Mathilde gibt nicht auf. Sie kämpft um Anerkennung und ihr Leben im Land der Anderen.
Das Leben in der Fremde
Ich weiß nicht, ob man wirklich von Fan sprechen kann, aber ich mochte „Dann schlaf auch du“ und „All das zu verlieren“ von Leïla Slimani unglaublich gerne. Ganz klar, dass ich mich auf diesen Roman hier sehr gefreut habe. Übrigens ganz wunderbar aus dem Französischen von Amelie Thoma übersetzt. Dann las ich die ersten kritischen Stimmen in der Instagram-Bubble und war ziemlich verunsichert, ob mir dieses Buch wirklich zusagt. Im Juni habe ich nur wenig gelesen, weil mich eine Leseflaute überfallen hat. Und ja, dieses Buch bespreche ich ihm Rahmen einer Kooperation. Das hält mich jedoch nicht davon ab, diese Bücher dennoch kritisch zu bewerten, wenn ich dies so empfinde. Auf dem Blog finden sich hier auch einige Beispiele.
Ich griff zu „Das Land der Anderen“ und habe dieses Buch am Wochenende an nur einem Tag gelesen. Auch wenn ich dieses Buch nicht so stark fand, wie die beiden anderen und obwohl es durchaus kleine Schwächen hat, bin ich total in dieser Familiengeschichte versunken und habe es unglaublich gerne gelesen.
Mathilde hatte sicherlich eine Vorstellung von ihrem neuen Leben an der Seite ihres Mannes. Die Realität sieht aber oft anders aus. Ernüchterung macht sich breit, denn Mathilde merkt bald, dass dieses Land, die Kultur, Sitten und Gebräuche ganz andere sind, als sie dieses von zuhause kennt. Es ist ein vom Patriachat geprägtes Land, mit politischen Ausschreitungen und vielen Konflikten. Viele Menschen auf dem Dorf leben noch sehr rückschrittlich und glauben zum Beispiel an böse Zauber, wenn andere Menschen erkranken. Bedingt durch die französischen Besatzer wird die Spannung immer größer und auch Mathilde, die selbst Französin ist, bekommt das immer wieder zu spüren.
Die Autorin schreibt relativ neutral und ergreift nie Partei für ihre Charaktere. So kenne ich das auch aus ihren anderen Büchern. Sie urteilt weder über gut noch böse und überlässt es uns, das einzuschätzen. Das kann es den Leser:innen mitunter schwer machen, die Figuren zu greifen, störte mich tatsächlich hier aber nicht.
In all ihren anderen Büchern blieb mir besonders das großartige Schreibtalent im Gedächtnis und auch hier hat mich Slimani wieder überzeugt. Sie formt aus Worten großartige Sätze, die mir wirklich im Gedächtnis geblieben sind. Auch wenn dieser Geschichte an unterschiedlichen Stellen manchmal ein wenig Spannung fehlt, hat sie mich trotzdem mitgerissen, mich auf eine Reise nach Marokko entführt und mit ihrer bildhaften und detaillierten Sprache eine ganze Welt in meinem Kopf erschaffen. Das schätze ich an dieser Autorin sehr.
Nach dem Lesen habe ich begonnen über die Geschichte Marokkos zu recherchieren, da mir diese so gar nicht bewusst war und ich es unglaublich spannend finde, die Zusammenhänge zu verstehen. Manchmal gibt es diese Bücher, die das auslösen und dafür bin ich hier ebenfalls sehr dankbar. “Das Land der Anderen” erzählt übrigens Slimanis eigene Familiengeschichte und ist als Trilogie konzipiert.
Fazit
„Das Land der Anderen“ ist eine Familiengeschichte zwischen den Kulturen, zwischen verschiedenen Ländern und Nationen der Nachkriegszeit, die mich von Beginn an gefesselt hat. Trotz der kleinen Schwächen habe ich dieses Buch sehr gerne gelesen und würde es auch empfehlen. Ich las es an einem Tag und bin völlig abgetaucht in das Marokko der Nachkriegszeit und Mathildes Leben. Empfehlung.
Das Land der Anderen von Leïla Slimani – übersetzt aus dem Französischen von Amelie Thoma – Luchterhand Verlag – 384 Seiten – ISBN 978-3-630-87646-7 – Hardcover – 22,- Euro
*Diese Rezension ist im Rahmen einer Kooperation mit Luchterhand entstanden. Meine Meinung bleibt davon jedoch unberührt.
2 Kommentare
Hey, ich habe so unterschiedliche Meinungen zu diesem Buch gelesen, dass ich etwas verwirrt bin =) Da Slimani aber zu meinen absoluten Lieblingsautorinnen gehört, ist es den Versuch sicher wert =)
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