Tante Martl ist scheinbar unscheinbar, in Wahrheit aber ganz besonders. Der Leser spürt es gleich an der Art, wie sie ihre Telefonanrufe eröffnet: mit einem Stöhnen, dem ein unerwarteter Satz folgt. Geboren als dritte Tochter eines Vaters, der nur Söhne wollte, ist Martl die ungeliebte Jüngste, die keinen Mann findet, dafür aber einen Beruf als Volksschullehrerin. Nie verlässt sie die westpfälzische Kleinstadt, in der sie geboren wurde, ja nicht einmal ihr Elternhaus. Und obwohl sie ihren Vater jahrelang pflegt, während ihre Schwestern Familien gründen, bewahrt sie ihre Selbstständigkeit. Wie Tante Martl das schafft und in hohem Alter noch einen großen Fernsehauftritt bekommt, erzählt Ursula März mit staunender Empathie und widerständigem Humor.
Tante Martl – eine wunderbare Frau
Es gibt diese Bücher, die einem nur zufällig begegnen, an denen der Blick hängen bleibt und die man aus unerfindlichen Gründen gerne lesen möchte. „Tante Martl“ hat mich bereits im letzten Jahr einige Stunden begleitet und ich bin sehr froh, dass ich diese Geschichte gelesen habe und in Martls Welt abgetaucht bin.
Ursula März erzählt die eindrucksvolle Geschichte ihrer Tante, einer bemerkenswerten Frau, die mich sehr fasziniert hat. Martl ist die jüngste Tochter von drei Kindern und leider auch die, auf die scheinbar alle hätten verzichten können. Der Vater wünschte sich unbedingt einen Sohn, dann wurde es leider nur wieder eine Tochter. Ein Umstand, der ihr ganzes Leben prägen wird. Während die Frauen ihrer Generation, allen voran auch ihre beiden Schwestern, schnell verheiratet sind, die glückliche Hausfrau spielen und weder Autofahren noch mit Finanzen umzugehen wissen, sieht das bei Martl ganz anders aus.
Zeitlebens lebt sie alleine, geht in ihrem Job als Lehrerin vollkommen auf und organisiert Leben und Haushalt eigenständig. Sie hat einen Führerschein, reist für ihr Leben gerne, traut sich den Mund aufzumachen, ist dabei witzig, sehr unterhaltsam und auch ziemlich schlau. Sie lebt damals schon ein sehr modernes Leben und ist ihrer Zeit weit voraus.
Ursula März schafft es all die unterschiedlichen Facetten von Martl darzustellen und porträtiert eine warmherzige, liebenswerte und manchmal auch schrullige Person, mit der ich sehr viel lachen musste, die ich manchmal auch nicht verstand (Dialekt sei Dank!) und die mich trotzdem – oder genau deshalb – nicht mehr losgelassen hat. Ein sehr kluges, schönes und starkes Buch, dass man in einem Rutsch gelesen hat und ganz Gewiss noch lange nachwirken wird.
Fazit
Jeder braucht so eine wundervolle, besondere Tante, die ein wenig anders ist als die anderen und von der man dennoch viel lernen kann. Tante Martl ist genau das, deshalb solltet ihr diese Geschichte unbedingt lesen, denn ihr werdet sie sicher ins Herz schließen. Empfehlung!
Tante Martl von Ursula März – Piper Verlag – 192 Seiten – ISBN 978-3-492-05981-7 – Gebundene Ausgabe mit Schutzumschlag – 20,- Euro
1 Kommentar
Sehr schöne Rezension! Das klingt nach einem sehr einnehmenden Buch mit liebevoller Protagonistin!