‘Die Schwarzgeherin’ von Regina Denk

von Petzi

"Die Schwarzgeherin"

Lange ist es her, dass ich hier eine ausführliche Buchbesprechung veröffentlicht habe. Das Buch „Die Schwarzgeherin“ von Regina Denk ist jedoch der perfekte Grund nun wieder damit zu beginnen.

Die Schwarzgeherin nimmt sich die Freiheit, die ihr zusteht

„Mit der Hochzeit würde sie auf den Xantner Hof ziehen, und wo der Leopold einen Schritt nach vorne tun würde, würde sie in die Unsichtbarkeit verschwinden. Hier oben würde niemand nach ihrer Meinung fragen. Wo sein Wort an Bedeutung gewänne, würde ihres nicht mehr gehört werden. Sie spürte eine Wut in sich aufsteigen, die sich gegen weit mehr richtete als nur gegen den Leopold, der bedingt Schuld hatte an der Ordnung der Welt, in die er, wie sie selbst, hineingeboren worden war. An der er, im Gegensatz zu ihr, nichts verändern brauchte, um sich frei darin bewegen zu können. In der Weltordnung, in der er immer ein Herr und sie immer eine Dienerin sein würde.“

Ganz sicher ist das der beste historische Roman, den ich je gelesen habe und ich habe in der Vergangenheit wirklich einige verschlungen. Während diese aber mehr aus dem erzählerischen Aspekt heraus zur Unterhaltung dienten, gibt dieses Buch den Leser*innen so viel mehr an die Hand. Warum dieses Buch so gut ist? Dafür gibt es mehrere Gründe. Die Autorin schafft es in „Die Schwarzgeherin“ nicht nur die Stimmung und Zeit rund um das 19. Jahrhundert perfekt zu transportieren, sondern spannt ebenso gekonnt einen Bogen in die heutige Zeit, in dem sie die patriacharlen Strukturen unserer Gesellschaft aufzeigt und schmerzhaft bewusst macht, dass das Leben von Frauen noch nie einfach war. Und obwohl wir mittlerweile schon so viel weiter sein sollten, habe ich mich verdächtig oft an aktuelle Momente erinnert.

Möglicherweise ist es mir extrem leicht gefallen dieses Buch zu lesen, da ich den bayerischen Dialekt perfekt verstehe und dieser der Tiroler Mundart nicht ganz unähnlich ist. Ich bin jedoch überzeugt davon, dass man der Handlung auch sehr gut folgen kann, wenn man nur hochdeutsch spricht. In meinen Augen war es eine absolute Notwendigkeit den Dialekt stellenweise zu verwenden, um die Geschichte und das besondere Lokalkolorit nochmal zu unterstreichen.

Die Geschichte beginnt 1883 in den Tiroler Bergen, als eine fremder Mann bei einer Bäuerin erscheint und viele Fragen stellt. Insbesondere von der Schwarzgeherin – der Theres – will er wissen. Die Bäuerin erzählt und nimmt uns Leser*innen dabei mit. Regina Denk springt bei ihrer Erzählung zwischen verschiedenen Zeitabschnitten hin und her und streut immer auch mal Rückblenden in die Kindheit der Schwarzgeherin ein. 

Wunderbar zu lesen, erzählen diese Abschnitte ganz besonders, was Theres in ihrem Leben geprägt hat und weshalb sie den Weg gegangen ist, den sie am Ende gewählt hat. In kursiver Schrift werden auch Abschnitte einer kurzen Erzählung eines Adlerweibchens eingeblendet. Was will mir die Autorin damit sagen? Was mir zu Beginn noch gar nicht klar war, habe ich am Ende erst so richtig verstanden und hat die Geschichte für mich perfekt gemacht. 

„Für Kinder gab es keine Freiheit. Für Frauen auch nicht, das wusste das Mädchen. Und sie merkte sich, mit brennender Wange und brennendem Herzen, dass sie es irgendwann, wenn sie wirklich frei sein wollte, halten musste wie die Mina. Dass sie das, was ihr wichtig war, nur schützen konnte, indem sie es gut vor allen anderen verstecken würde.“

Im 19. Jahrhunderts dominiert das Patriarchat.  Wirst du als Tochter geboren, hast du nicht zu bestimmen. In der Regel legen die Väter fest, was gemacht wird. Wer geheiratet wird und welche Verbindung sich für die ganze Familie auszahlen könnte. Frauen, und dabei ist es ganz egal, ob es sich um die eigene Ehefrau, Mutter oder Tochter handelt, haben sich zu fügen und dem unterzuordnen, was das Familienoberhaupt bestimmt.

Die junge Theres träumt allerdings von einem anderen Leben. Fühlt sich eingeengt und unglücklich in dem kleinen Bergdorf und will endlich einmal die Freiheit spüren. Hat sie doch in Erinnerung, dass die eigene Mutter ihre Heimat Italien für ihren Vater verlassen hat und in dem kleinen Dorf – so scheint es – nie mehr so recht sie selbst war.

Sie wächst mit ihrem besten und engsten Freund Leopold auf, der passenderweise der Sohn des reichsten Bauers der Gegend ist. Während andere Frauen teilweise an ungeliebte Männer versprochen werden, hat sie noch Glück. Es könnte sie zumindest schlechter treffen. Doch ihr Herz hat andere Pläne und so entscheidet sich sich – entgegen dem Wunsch der Familie – für den fremden Xaver, der eines Tages im Dorf aufkreuzt. Doch es kommt alles anders als gewünscht. Von der Dorfgemeinschaft geächtet, entscheidet sie sich in die Berge zurückzuziehen und ein karges Leben zu führen. Ein Leben, das sie zugleich aber endlich die Freiheit spüren lässt, die sie sich immer gewünscht hat.

Was ist eigentlich ein Schwarzgeher?

Wilderer werden oder wurden historisch auch als Jagd- bzw. Wildfrevler, Wilddieb, Wildschütz/Raubschütz oder Schwarzgeher bezeichnet.

Wunderbar und treffend fängt Regina Denk die Stimmung in ihrem Buch ein und nimmt mich als Leser*in mit in das Bergdorf in Tirol. Sie zeichnet starke Figuren, die mich von Beginn an überzeugt haben. Eine Dorfgemeinschaft hält zusammen, solange alle an einem Strang ziehen und alle Rädchen ineinander greifen. Bricht jedoch einer oder eine aus, bringt sie Schande über alle.

So wie die Schwarzgeherin, die zwar keinen Mann hat und doch ein Kind bekam. Die Autorin erzählt die Geschichte von Mutter und Tochter im Wechsel, was spannend zu verfolgen war. Theres bekommt schon im Kindesalter vor Augen geführt, wie mächtig Männer sind und worüber sie bestimmen können. Und obwohl ihr das bewusst war, lässt sie sich spannenderweise selbst auf eine Liebschaft mit einem Mann ein. Auch wenn sie auf einen anderen Ausgang gehofft hatte. 

Ich habe mich mit Theres und ihrer Tochter Maria sehr verbunden gefühlt und zugleich immer wieder Parallelen in die heutige Gesellschaft gezogen, was mich stellenweise erschüttert hat. Hier bekommt man nämlich stark vor Augen geführt, dass viele Dinge noch immer gar nicht so anders laufen, wie 1883 in Tirol.

Für mich war es nicht absehbar wie dieses Buch enden wird und so hat mich Regina Denk letztlich wirklich überrascht. Hier greift ein Wort in das andere und es bleibt eine mitreißende und spannende Geschichte mit sehr starken Figuren, einer sehr guten Geschichte und einem großen Lesevergnügen. Auch wenn das Thema kein einfaches ist.

„Als Frau bleibt dir am Ende niemand, außer denen, denen du selbst das Leben geschenkt hast. Nichts sonst ist sicher für uns in dieser Welt.“

Fazit

Ich habe dieses Buch in nur zwei Tagen verschlungen und die Geschichte der Schwarzgeherin mehr als gemocht. Für mich ist es ein besonderer und wichtiger historischer Roman, der wunderbar erzählt wurde und erschreckend viele Parallelen zur heutigen Zeit aufweist. Eine absolute Leseempfehlung.

Die Schwarzgeherin von Regina Denk – Droemer – 416 Seiten – ISBN 978-3-426-44723-9 – Hardcover

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