Lange ist es her, dass ich hier eine ausführliche Buchbesprechung veröffentlicht habe. Das Buch “Die Schwarzgeherin” von Regina Denk ist jedoch der perfekte Grund nun wieder damit zu beginnen.
Die Schwarzgeherin nimmt sich die Freiheit, die ihr zusteht
“Mit der Hochzeit würde sie auf den Xantner Hof ziehen, und wo der Leopold einen Schritt nach vorne tun würde, würde sie in die Unsichtbarkeit verschwinden. Hier oben würde niemand nach ihrer Meinung fragen. Wo sein Wort an Bedeutung gewänne, würde ihres nicht mehr gehört werden. Sie spürte eine Wut in sich aufsteigen, die sich gegen weit mehr richtete als nur gegen den Leopold, der bedingt Schuld hatte an der Ordnung der Welt, in die er, wie sie selbst, hineingeboren worden war. An der er, im Gegensatz zu ihr, nichts verändern brauchte, um sich frei darin bewegen zu können. In der Weltordnung, in der er immer ein Herr und sie immer eine Dienerin sein würde.”
Ganz sicher ist das der beste historische Roman, den ich je gelesen habe und ich habe in der Vergangenheit wirklich einige verschlungen. Während diese aber mehr aus dem erzählerischen Aspekt heraus zur Unterhaltung dienten, gibt dieses Buch den Leser*innen so viel mehr an die Hand. Warum dieses Buch so gut ist? Dafür gibt es mehrere Gründe. Die Autorin schafft es in “Die Schwarzgeherin” nicht nur die Stimmung und Zeit rund um das 19. Jahrhundert perfekt zu transportieren, sondern spannt ebenso gekonnt einen Bogen in die heutige Zeit, in dem sie die patriacharlen Strukturen unserer Gesellschaft aufzeigt und schmerzhaft bewusst macht, dass das Leben von Frauen noch nie einfach war. Und obwohl wir mittlerweile schon so viel weiter sein sollten, habe ich mich verdächtig oft an aktuelle Momente erinnert.
Möglicherweise ist es mir extrem leicht gefallen dieses Buch zu lesen, da ich den bayerischen Dialekt perfekt verstehe und dieser der Tiroler Mundart nicht ganz unähnlich ist. Ich bin jedoch überzeugt davon, dass man der Handlung auch sehr gut folgen kann, wenn man nur hochdeutsch spricht. In meinen Augen war es eine absolute Notwendigkeit den Dialekt stellenweise zu verwenden, um die Geschichte und das besondere Lokalkolorit nochmal zu unterstreichen.
Was ist eigentlich ein Schwarzgeher?
Wilderer werden oder wurden historisch auch als Jagd- bzw. Wildfrevler, Wilddieb, Wildschütz/Raubschütz oder Schwarzgeher bezeichnet. |
Wunderbar und treffend fängt Regina Denk die Stimmung in ihrem Buch ein und nimmt mich als Leser*in mit in das Bergdorf in Tirol. Sie zeichnet starke Figuren, die mich von Beginn an überzeugt haben. Eine Dorfgemeinschaft hält zusammen, solange alle an einem Strang ziehen und alle Rädchen ineinander greifen. Bricht jedoch einer oder eine aus, bringt sie Schande über alle.
Ich habe mich mit Theres und ihrer Tochter Maria sehr verbunden gefühlt und zugleich immer wieder Parallelen in die heutige Gesellschaft gezogen, was mich stellenweise erschüttert hat. Hier bekommt man nämlich stark vor Augen geführt, dass viele Dinge noch immer gar nicht so anders laufen, wie 1883 in Tirol.
“Als Frau bleibt dir am Ende niemand, außer denen, denen du selbst das Leben geschenkt hast. Nichts sonst ist sicher für uns in dieser Welt.”
Die Schwarzgeherin von Regina Denk – Droemer – 416 Seiten – ISBN 978-3-426-44723-9 – Hardcover