Als Nane nach zwanzig Jahren Haft aus dem Gefängnis entlassen wird, hat sich vieles verändert. Nicht aber die Schuld, die weiter auf ihr lastet. Nicht die Erinnerung an die Nacht, die ihr Leben zerstörte und schon gar nicht das Verhältnis zu ihrer Schwester Pia. Pia hat es gut getroffen. Die erfolgreiche Restaurateurin lebt mit ihrem Mann auf einem idyllischen Weingut an der Saar. Da lässt es sich gut verdrängen, auf welch zerbrechlichem Fundament ihr Glück gebaut ist. Doch dann tritt ihre Schwester Nane wieder in ihr Leben und Pia ahnt: Es ist Zeit für die Wahrheit. Und damit Zeit für Rache – oder Vergebung.
Eine Schuld, die nie verjährt.
Hinter Ellen Sandberg versteckt sich die Münchner Krimiautorin Inge Löhnig, die sich hier auf ein neues Terrain wagt. “Der Verrat” ist ihr mittlerweile zweites Buch und wieder einmal unbedingt lesenswert. Die Autorin kann nämlich nicht nur Kriminalfälle, sondern versteht es auch gekonnt Familiengeschichten spannend und mitreißend zu erzählen. Dennoch bleibt dieses Buch ein wenig hinter meinen Erwartungen zurück. “Die Vergessenen” konnte mich mehr überzeugen, vielleicht auch einfach wegen der Geschichte an sich. Warum ich diesen Eindruck gewonnen habe, werde ich euch aber nun ausführlich verraten.
Nane saß zwanzig Jahre wegen Mordes im Gefängnis und stellte sich in dieser Zeit immer wieder Fragen, die ihr nur einer beantworten kann. Thomas, der Mann ihrer Schwester Pia. Als sie nach ihrer Entlassung auf seinem Weingut aufkreuzt erleidet dieser jedoch einen Herzinfarkt, die Fragen bleiben unbeantwortet und keiner auf dem Gut möchte sie sonst sehen. Nane riskiert nicht nur ihre Bewährung, um endlich Gewissheit zu erlangen und zu erfahren, ob sie wirklich eine Mörderin ist. Ihre Zweifel scheinen nämlich durchaus berechtigt.
Der Autorin gelang mit ihrem zweiten Roman wieder eine überzeugende Geschichte mit starken Charakteren. Erzählt wird diese in zwei unterschiedlichen Erzählsträngen, einmal in der Gegenwart und einmal Ende der 90er Jahre, als der verhängnisvolle Mord begangen wurde, für den Nane ins Gefängnis musste. Besonders die drei Schwestern stehen stark im Fokus und kämpfen aus unterschiedlichen Motivationen heraus gegeneinander. Keine gönnt der anderen etwas und alle sind zum Äußersten bereit.
Die Handlung startet recht langsam und lässt dem Leser viel Raum für eigene Vermutungen. Aus dem Grund dauert es auch einige Zeit, bis hier wirklich Spannung aufkommt. Für die Geschichte ist dies jedoch essentiell, denn erst wenn man die umfassende Geschichte der Schwestern kennt, wird man bestimmte Handlungsmuster und Motivationen verstehen. Wie von der Autorin gewohnt, ist die Handlung stimmig und schlüssig aufgebaut und überzeugend konstruiert. Die entscheidende Problematik ist jedoch, dass es in dieser Geschichte für mich keinen wirklichen Sympathieträger gab, der mich durch das Buch begleitet hat. Die Negativität der einzelnen Charaktere ist zwar nachvollziehbar, macht es mir als Leser jedoch auch ein wenig schwer. Auch wenn ich weiß, dass es für diese Geschichte genauso sein musste. Insgesamt hat es mich aber dennoch überzeugt, wie Sandberg die Figuren ausgearbeitet hat. Keine gönnt der anderen ihr Glück, alle sind von Neid und Missgunst zerfressen. Das spürt man ganz deutlich und dies bringt die Autorin auch genauso rüber.
Im Lauf der Handlung kommen bestimmte Vermutungen auf und manche Dinge kann man sich auch zurechtlegen. Insgesamt war es für mich aber ein sehr runder und spannender Roman, der mir wieder sehr gut gefallen und mich auch überzeugt hat. Das Psychospiel der Figuren macht diese Geschichte so besonders interessant. Manche Stellen zogen sich für mich ein wenig in die Länge und wenn ich dieses Buch mit dem Vorgänger vergleiche, dann liegt „Der Verrat“ leider ein wenig dahinter. Dennoch kann man nichts falsch machen, wenn man Bücher von Ellen Sandberg liest.
Fazit
Ein spannender und gut konstruierter Roman, der zwar minimale Schwächen hat, mich aber dennoch überzeugen konnte. Dass Neid und Missgunst immer ein schlechter Antrieb sind, zeigt diese Geschichte ganz deutlich. Für mich eine spannende Familiengeschichte von Ellen Sandberg, die man gelesen haben sollte.
Der Verrat von Ellen Sandberg – Penguin – 480 Seiten – ISBN 978-3-328-10090-4 – Paperback – 15 Euro
1 Kommentar
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