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Sie sind jung und verliebt und haben alles, was sie brauchen. Aber ihr Pariser Leben langweilt sie, also nehmen Louise und Ludovic ein Sabbatjahr und umsegeln die Welt. Bei einem Ausflug auf eine unbewohnte Insel vor Kap Hoorn reißt ein Sturm ihre Jacht und damit jegliche Verbindung zur Außenwelt mit sich fort. Was als kleiner Ausbruch aus dem Alltagsleben moderner Großstädter gedacht war, mündet urplötzlich in einen existenziellen Kampf gegen Hunger und Kälte. Nicht weniger aufreibend ist das psychologische Drama, das sich zwischen den Partnern entspinnt. Wer trägt die Schuld an der Misere? Wer behält die Nerven und trifft die richtigen Entscheidungen? Und was wird aus der Liebe, wenn es ums nackte Überleben geht? Herz auf Eis wagt sich an die Frage, was mit uns und unseren Beziehungen geschieht, wenn wir unsere Komfortzone verlassen.
Ein kluger Beziehungsroman
Selten hat mich ein Buch so zwiespältig zurückgelassen, wie es „Herz auf Eis“ getan hat. Und das hat ganz unterschiedliche Gründe.
Louise und Ludovic sind ein Pariser Vorzeigepaar. Sie haben Erfolg im Beruf, sind glücklich miteinander und führen ein Vorzeigeleben. So entschließen sich die beiden, eine Auszeit zu nehmen und mit einem Schiff die Welt zu umsegeln. Ihr letztes Ziel – eine unbewohnte Insel vor Kap Hoorn – ändert jedoch alles. Während ihr Schiff bei einem Unwetter sinkt und sie gezwungen werden auf der einsamen Insel ums Überleben zu kämpfen, zeigt sich auf dramatische Weise wie sich die Beziehung in dieser Extremsituation verändert.
Autorin Isabelle Autissier hat selbst die Welt umsegelt und schreibt sicherlich mit einem reichen Erfahrungsschatz, was die Beschreibungen der Natur und Landschaft betrifft. Dies merkt man in diesem Buch auch auf jeder Seite. Dem gegenüber steht die nüchterne und protokollartige Erzählung der Ereignisse auf der Insel. Autissier hält Louise und Ludovic auf Distanz zum Leser, lässt sie sehr kühl und unnahbar erscheinen und gab mir trotz der dramatischen Ereignisse nie das Gefühl hier Zeuge eines schrecklichen Szenarios zu werden. Zugegeben hat mir das aber ein wenig gefehlt, denn ich war als Leser die ersten Seiten doch ziemlich teilnahmslos bei der Sache.
Während man aber immer mehr Seiten dieses Buches liest, wird man Zeuge einer langsamen Wandlung. Man beobachtet das Paar bei alltäglichen Arbeiten, Suche nach Nahrung und verfolgt verzweifelt ihren Versuch ein altes Schiff startklar zu bekommen, um von der Insel zu fliehen. Dieser Versuch scheitert und ist damit auch gleichzeitig eine Wendung in der Geschichte. Irgendwann geht es nämlich nur noch darum zu überleben und um dies zu schaffen, muss man sich entscheiden.
Hier startet ein neues Kapitel, das mich nun vollends gepackt hat. Die Autorin lässt ihre Charaktere nun nahbarer erscheinen, was auch mich als Leser nicht kaltgelassen hat. Während man diese Geschichte liest, kommt man nicht umhin sich zu fragen, wie man selbst in so einer Situation handeln würde und wie weit Liebe wirklich gehen kann. Ein interessanter Gedankengang, den Isabelle Autissier mit ihrem Buch damit aufgeworfen hat und der mich auch nach der Lektüre noch längere Zeit beschäftigt hat.
Fazit
„Herz auf Eis“ ist ein Roman, der streckenweise so eisig ist, wie man es bereits im Titel zu lesen bekommt. Die Geschichte der beiden Protagonisten lässt den Leser dennoch nicht mehr so schnell los, zumal man sich selbst automatisch damit auseinandersetzt, wie man selbst in dieser Situation handeln würde. Lektüre, die auch später noch nachwirkt und die ich absolut empfehlen kann.
5/5 Punkten
Herz auf Eis von Isabell Autissier – aus dem Französischen von Kirsten Gleinig – Mare Verlag – 224 Seiten – ISBN 978-3866482562 – Gebundene Ausgabe – 22,- Euro – hier kaufen*
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4 Kommentare
Das klingt SO toll 🙂 Ich werds mir gleich mal auf der WuLi vermerken!
Wow! Das klingt nach einer tollen Geschichte! Ich finde solche Handlungsstränge mega spannend und fühl mich schon nach deiner Beschreibung ganz kribbelig bei dem Gedanken, wie man sich selbst wohl in so einer Situation verhalten würde…
Liebe Grüße
Danke für diese tolle Rezi! Das Buch ist nun auch direkt auf meine Wunschliste gewandert 🙂
Ich muss übrigens auch noch erwähnen, dass dein Blog mega mega schön ist! Lasse gerne ein E-Mail Abo hier.
Liebe Grüße
Antonia
Dein Blog gefällt mir auch sehr gut, er ist bunt, offen, und es macht Spaß, darin zu schmökern. Vielen Dank dafür!
Arktische Landschaften, wie in „Herz auf Eis“ geschildert, faszinieren mich. Sie sind großartig, manchmal bis hin zum Beklemmenden, und nüchtern zugleich, das untermalt Autissiers protokollarischer Bericht bewundernswert eindrücklich.
Anders als dir, waren mir als Leserin Louise und Ludovic zumindest auf der Insel (weniger in der Schilderung ihrer Lebensläufe) von Anfang sehr nahe, gerade in ihrer Verschiedenheit. Ihr Entsetzen über das verschwundene Schiff konnte ich gut nachvollziehen, ich habe selbst einmal im einsamen Gebirge den Wanderweg verloren…
Ein wenig stört mich in dem tollen Buch bloß, dass beide auf diesen Riesenschreck mit haargenau den gleichen körperlichen Empfindungen reagieren. Von solchen pauschalen Stellen gibt es ein paar, und ich finde, sie passen nicht in den ansonsten tiefgründigen Text.
Herzliche Grüße
Angelika