Hulda Hermannsdóttir, Kommissarin bei der Polizei Reykjavík, soll frühzeitig in Ruhestand gehen, um Platz für einen jüngeren Kollegen zu machen. Sie darf sich einen letzten Fall, einen cold case, aussuchen – und sie weiß sofort, für welchen sie sich entscheidet. Der Tod einer jungen Frau wirft während der Ermittlungen düstere Rätsel auf, und die Zeit, um endlich die Wahrheit ans Licht zu bringen, rennt. Eine Wahrheit, für die Hulda ihr eigenes Leben riskiert …
Die einsamste Kommissarin Islands
Wenn auf dem Buchcover der Hinweis „Ausgezeichnet als einer der besten 100 Krimis und Thriller seit 1945“ steht, dann habe ich wirklich unglaublich große Erwartungen und war deshalb natürlich total gespannt, wie Jonasson die Geschichte erzählt. „Dunkel“ ist Teil einer Trilogie, die tatsächlich rückwärts erzählt wird. Das habe ich so noch nirgends gesehen, was ich daher als einen unglaublich klugen Schachzug empfand und mich natürlich total neugierig gemacht hat. Wenn man im ersten Band theoretisch schon weiß, wie alles enden wird, will man dann überhaupt noch weiterlesen? Ja, will man auf jeden Fall.
Hulda Hermannsdóttir ist die Ermittlerin in diesem Band, den ich persönlich auch eher als Krimi, denn als Thriller bezeichnen würde. Dafür fehlt mir zu viel Spannung, die bei einem Thriller eigentlich unerlässlich ist. Sie steht kurz vor der Pension und soll alle ihre laufenden Fälle eigentlich bereits abgeben und den Weg für den neuen Ermittler freimachen. Hulda geht das alles viel zu schnell, weil sie sich auch ein wenig vor der Einsamkeit zu Hause fürchtet. Ihr Job war immer ihr Lebensmittelpunkt und Anker und was wird bleiben, wenn auch der nicht mehr ist? Sie verhandelt daher, noch einen letzten Fall zu übernehmen, einen sogenannten „Cold Case“ und entscheidet sich für den Tod einer jungen Frau, der eigentlich als Selbstmord eingestuft wurde. Hulda ist sich sicher, dass der betreffende Kollege nicht richtig ermittelt hat und stellt erste Nachforschungen an. Doch die Wahrheit könnte auch ihr eigenes Leben riskieren.
Der Fall als solches ist eigentlich nichts Besonderes, da man so etwas bereits in vielen Thrillern gelesen hat. Vielmehr kommt es hier auf die einzelnen Charaktere an, die allerdings nicht alle gleichermaßen überzeugen können. Hulda ist für mich keine richtige Sympathiefigur, soll sie aber wahrscheinlich auch gar nicht sein. Sie ist eigentlich eine einsame Frau, deren Leben am Job hängt, der alles ist, was sie noch besitzt. Ermittlerin der alten Schule, die vielleicht manchmal etwas länger braucht, um zu ermitteln, dafür aber auch genau hinsieht und Zusammenhänge erkennt. So denkt zumindest ihr Chef, auch wenn sie sich selbst ganz anders beurteilt. Es gibt viele Dämonen in ihrer eigenen Vergangenheit, mit denen sie zu kämpfen hat. All das wird im Buch bereits angeschnitten und wahrscheinlich in den weiteren Bänden noch thematisiert. Ich habe lange gebraucht, um irgendwie zu ihr durchzudringen und Hulda etwas besser zu verstehen. Das ist mir, wie ich glaube, auch tatsächlich gelungen. Ich würde sie aber dennoch nicht als fantastische und komplexe Figur bezeichnen, wie es der Klappentext zitiert.
Nicht alles an diesem Buch fand ich wirklich gut, was aber vielleicht auch daran liegt, dass ich wirklich schon viele Thriller gelesen habe und großer Fan des Genres bin. Insbesondere auch von skandinavischen Thrillern. Die anderen Figuren bleiben erstaunlich eindimensional und die Sprache hat mich leider nicht überzeugt. Das mag sicherlich an der Übersetzung liegen. Hier von Isländisch ins Englische und von dort ins Deutsche. Vielleicht wäre eine Übersetzung direkt aus der Originalsprache besser gewesen, um mehr vom besonderen Twist zu bewahren. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass die Figuren und Dialoge dadurch auch ein wenig auf der Strecke geblieben sind.
Das Ende war durchaus überraschend, womit ich so nicht gerechnet habe. Das alleine macht mich neugierig auf den zweiten Band. Ich würde nämlich niemals das Ende eines Buches zuerst lesen, hier ist das aber quasi der Fall, da wir nun das Ende der Reihe kennen. Deshalb bin ich umso gespannter, wie der Autor es umsetzt die Trilogie rückwärts zu verfassen und dennoch einen Spannungsbogen aufrechterhält. Die große Frage ist ja, ob ihm das gelingen wird. „Insel“ ist auf jeden Fall ab Juli 2020 erhältlich und spätestens dann wird man es erfahren. Ich werde es lesen, weil ich unbedingt wissen möchte, wie Ragnar Jonasson das umgesetzt hat.
Fazit
„Dunkel“ ist für mich ein Thriller, den ich eher als Krimi einordnen würde. Ganz solide, aber nicht so stark, wie ich ihn erwartet habe. Die Übersetzung trägt sicherlich einen Großteil dazu bei, da ich ihn sprachlich ausbaufähig fand und die Charaktere relativ eindimensional daherkamen. Die große Besonderheit ist hier aber, dass die Trilogie rückwärts erzählt wird, und das hat mich überzeugt, da ich unglaublich gespannt bin, wie Jonasson das umgesetzt hat. Ich werde „Insel“ – den 2. Band der Reihe (erscheint im Juli 2020) – auf jeden Fall auch lesen. Dieses Buch ist besonders auch für all diejenigen geeignet, die nicht so viele Thriller lesen oder einen Einstieg ins Genre suchen.
Dunkel (Die Hulda-Trilogie Band 1) von Ragnar Jónasson – aus dem Englischen von Kristian Lutze – btb Verlag – 384 Seiten – ISBN 978-3-442-75860-9 – Klappenbroschur – 15,- Euro
*Dieser Beitrag ist im Rahmen eine bezahlten Kooperation in Zusammenarbeit mit dem btb Verlag entstanden. Meine Meinung bleibt davon unberührt.
3 Kommentare
Oh, was für eine spannende Idee! Ich mag es, wenn Autoren sich an so innovative und knifflige Herangehensweisen wagen, allerdings bin ich bei Thrillern mittlerweile ziemlich wählerisch und wo „Krimi“ draufsteht, greife ich kaum noch hin… Das Konzept macht mich nun aber doch neugierig! 🙂 Wunderbare Besprechung, liebe Petzi!
Ich wünsch dir einen schönen Abend und einen gemütlichen Start in die neue Woche!
LG Nana
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