Unsere Welt ist von Männern für Männer gemacht und tendiert dazu, die Hälfte der Bevölkerung zu ignorieren. Caroline Criado-Perez erklärt, wie dieses System funktioniert. Sie legt die geschlechtsspezifischen Unterschiede bei der Erhebung wissenschaftlicher Daten offen. Die so entstandene Wissenslücke liegt der kontinuierlichen und systematischen Diskriminierung von Frauen zugrunde und erzeugt eine unsichtbare Verzerrung, die sich stark auf das Leben von Frauen auswirkt. Kraftvoll und provokant plädiert Criado-Perez für einen Wandel dieses Systems und lässt uns die Welt mit neuen Augen sehen. Viele Beispiele aus Politik, Technologie, Arbeitswelt, Stadtplanung, Medien oder medizinischer Forschung zeigen, wie verzerrt die Datenerhebung ist.
Wie eine von Daten beherrschte Welt die Hälfte der Bevölkerung ignoriert
Auf Instagram habe ich jetzt bereits zweimal über dieses Buch berichtet und da hatte ich es noch nicht einmal ganz durch. Wenn man „Unsichtbare Frauen“ gelesen hat, dann hat man ein unbedingtes Bedürfnis darüber zu sprechen, weil es so viele unglaubliche Fakten gibt, die mir – und ganz sicher auch vielen anderen von euch – so noch nicht bewusst waren.
Caroline Criado-Perez ist feministische Aktivistin und war zum Beispiel mitverantwortlich dafür, dass Twitter seinen Umgang mit dem Thema Missbrauch änderte oder eine Frau auf britischen Banknoten abgedruckt wurde. In ihrem Buch befasst sie sich mit der Tatsache, dass in der heutigen datenbeherrschten Welt einfach die Hälfte der Bevölkerung ignoriert wird. Das mag größtenteils nicht mal mit Absicht passieren. Vielmehr ist es einfach auch so, dass festgefahrene alte Muster oft nicht neu überdacht werden und deshalb Grundlagen angewendete werden, die stellenweise bereits veraltet sind.
“Die Vorstellung der Welt ist, wie die Welt selbst, das Produkt der Männer: Sie beschreiben sie von ihrem Standpunkt aus, den sie mit dem der absoluten Wahrheit gleichsetzen.” (Simone de Beauvoir)
Das es Frauen grundlegend schwerer haben, ist uns allen bewusst. Sie verdienen bei gleicher Arbeit statistisch gesehen dennoch weniger, sind beruflich oft benachteiligt, wenn sie sich dazu entschließen ein Kind zu bekommen, sie leisten den größten Teil der unbezahlten Care-Arbeit, opfern sich zwischen Familie, Haushalt und Karriere auf. Sie müssen sich für viele Dinge erklären und rechtfertigen, die für Männer selbstverständlich sind. Auch ist es statistisch immer noch so, dass Frauen in der Öffentlichkeit und im privaten Leben häufiger von Männern bedroht oder missbraucht werden, als es bei Männern der Fall wäre. Es gibt unzählige Punkte, die man hier jetzt noch aufführen könnte und mit denen die eine oder andere von uns bereits selbst ihre Erfahrungen gemacht hat.
Obwohl wir im Jahr 2020 leben und damit in einer sehr fortschrittlichen Zeit, scheint es fast so, als würde ein Thema immer noch sehr gerne ignoriert oder ausgeklammert werden. Das Recht auf Gleichberechtigung. Warum müssen heute noch 62% der Frauen Angst haben, wenn sie durch ein Parkhaus gehen? Warum haben Frauen eine höhere Wahrscheinlichkeit an einem Autounfall zu sterben, weil Crashtest-Dummys an Männern orientiert sind und bei Frauen ganz andere Unfallfolgen zum Tragen kommen? Warum empfiehlt die WHO, die Testphasen für ein hormonelles Verhütungsmittel für Männer einzustellen, weil unzumutbare Nebenwirkungen auftreten, die bei der Pille ganz normal in Kauf genommen werden?
Die Autorin macht mit ihrem Buch zweifelsohne wütend, lässt mich als Leser auch fassungslos zurück, ob der ganzen Dinge, über die ich noch nichts wusste, wovon ich teilweise noch nie gehört habe. Wie kann es sein, dass diese alten Daten und Statistiken nicht neu überprüft und den Gegebenheiten angepasst werden? Es ist aber auch ein Aufruf dazu, sich mit dieser Thematik zu befassen, sich diese Punkte ins Gedächtnis zu rufen und dadurch eine Veränderung anzustreben. Nur weil etwas so ist, wie es jetzt ist, muss es nicht so bleiben. Das sollte man sich unbedingt ins Gedächtnis rufen. Politik und Wirtschaft sind dazu aufgerufen, ihre Handlungen zu überdenken. Es gibt durchaus Frauen mit Kind, die ihren Job dennoch lieben, die gefordert werden möchten und wirklich etwas auf dem Kasten haben. Es ist Zeit für Firmen, die umdenken, die sich anders verhalten, die offen sind und neue Wege einschlagen.
Auch wenn viele Organisationen mittlerweile dafür kämpfen, auch wenn sich die Sichtbarkeit immer weiter verbessert, ist es dennoch ein langer und steiniger Weg, weil es noch viel zu tun gibt. Das fällt immer wieder auf und wird leider auch immer wieder deutlich. „Unsichtbare Frauen“ zeigt ganz klar, dass hier noch viel Arbeit vor uns liegt. Es lohnt sich aber diesen Weg zu gehen.
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Fazit
Ein unglaublich wichtiges Buch, dass mich als Leserin fassungslos, wütend, aber auf hoffnungsvoll zurückgelassen hat und ganz klar zeigt, dass noch viel zu tun ist. Caroline Criado-Perez deckt auf, was den meisten von uns in dieser Tragweite sicher noch nicht bewusst war. Es gibt noch viel zu tun, denn Frauen sind ein wichtiger Teil der Gesellschaft, die keinesfalls ignoriert werden sollten. Ich habe dieses wichtige Buch nun bereits mehrfach verschenkt. Absolute Leseempfehlung!
Unsichtbare Frauen von Caroline Criado-Perez – aus dem Englischen von Stephanie Singh – btb Verlag – 496 Seiten – ISBN 978-3-442-71887-0 – Taschenbuch – 15,- Euro
*Dieser Artikel entstand in Zusammenarbeit mit btb / meine Meinung bleibt davon unberührt.
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