In meinem vorherigen Beitrag habe ich ja bereits geschrieben, dass man die Klimaerwärmung nicht mehr leugnen kann. Zahlreiche Experten weltweit haben hierzu bereits etwas gesagt. Christof Drexel ist auch ein Experte auf dem Gebiet, der vor Kurzem auch ein Buch zum Thema veröffentlicht hat. In unterschiedlichen Grafiken, Diagrammen und Zusammenfassungen kann man so super sehen, wie schlecht das Verhalten für das Klima ist und wie man es mit kleinen Tricks und Kniffen bereits ein großes Stück verbessern kann. Meine Besprechung zum Buch könnt ihr hier nachlesen.
Ich habe Christof Drexel nun ein paar Fragen gestellt, die mir nach der Lektüre noch im Kopf geblieben sind. Ganz sicher sind die auch für euch interessant.
Sehr geehrter Herr Drexel, vielen Dank, dass Sie sich für dieses Interview Zeit nehmen. Sie sind anerkannter Klima-Experte und haben damit auch beruflich dieses Thema ständig im Kopf. Denken Sie persönlich auch mal nicht ans Klima?
Ja, durchaus. Beim Schach spielen oder Musik machen beispielsweise. Aber Sie haben recht, im Alltag laufe ich mit einer Art unsichtbaren Augmented-Reality-Brille herum und sehe bei allen Dingen und Vorgängen die verursachte CO2-Emission. Wenn ich sie noch nicht sehe, muss ich sie ausrechnen…
Wie denken Sie über die aktuelle Klimapolitik in Deutschland? Ist damit eine Klimakatastrophe wirklich aufzuhalten?
Nein, keinesfalls. Eine CO2-Steuer von 10 €/Tonne hat keinen Lenkungseffekt. Die Experten sind sich einig, dass man bei 30 bis 50 starten müsste und schon jetzt die Erhöhung auf 100 bis 200 €/Tonne planen müsste. Die weite Voraussicht und die Planbarkeit sind das wichtigste: Das gilt für die Wirtschaft ebenso wie für einzelne Menschen: Wenn ich weiß, dass Heizöl in 10 Jahren fast doppelt so viel kosten wird, fällt mir die Entscheidung leicht, wenn der Kessel demnächst erneuert werden muss. Zumal die Einnahmen (hoffentlich) sinnvoll genutzt werden: In diesem Fall in Form von Förderungen für thermische Sanierungen. Aber auch die Erneuerbaren-Politik geht in die falsche Richtung – der Ausbau der Windkraft wird gerade massiv eingebremst, und dabei wäre genau diese Technologie so wichtig: Wind liefert sehr kostengünstigen Strom, die Emissionen durch die Errichtung sind auf die Kilowattstunde bezogen extrem niedrig und der Großteil des Stroms wird im Winter geliefert – wenn die Photovoltaik schwächelt.
Welche Änderung, die man leicht umsetzen könnte, hätte wirklich einen großen positiven Effekt auf das Klima?
Das hängt ein bisschen vom persönlichen Lebensstil ab: Wer viel fliegt, findet dort den größten Hebel. Eine Fernreise pro Jahr verursacht drei bis fünf Tonnen CO2, so viel kann in einem anderen Bereich niemals eingespart werden. Ansonsten liegen die größten Potenziale bei den meisten Menschen beim Autofahren und bei der Ernährung. Wer weitgehend auf das Fahrrad, das E-Bike und Öffis umsteigt und darüber hinaus den Konsum von Fleisch und Milchprodukten auf das gesunde Maß reduziert, verringert seinen Fußabdruck um fast ein Viertel. So richtig viel ist aber auch das nicht: Es sind einfach zu viele einzelne Bereiche, die alle irgendwie mit Emissionen verbunden sind – Bauen, Heizen, der Stromverbrauch im Haushalt, der allgemeine Konsum, die Nächtigungen im Urlaub, bis hin zu Freizeit-Aktivitäten. Und sogar Haustiere spielen eine Rolle. Man darf aber andererseits nicht alle Verantwortung dem Einzelnen zuschieben: Auch unsere Industrie kann viel effizienter werden, und der erforderliche Ausbau der erneuerbaren Energien muss politisch verfolgt werden. Nur wenn alle ihre Hausaufgaben machen, können wir das Ruder herumreißen.
Ich höre immer wieder von Menschen, die der Meinung sind, dass es sich nicht lohnt bestimmte Verhaltensweisen zu ändern, weil die Auswirkungen aufs große Ganze doch viel zu gering sind. Was möchten sie diesen Menschen sagen?
Zunächst zur globalen Situation: In Europa wurde im 18. Jahrhundert begonnen, Kohle zu verbrennen. In Europa stiegen die Emissionen zuerst an, in Europa wurde bereits vor 40 Jahren der Höchststand erreicht und die Emissionen sind immerhin schon auf einem leichten Abwärtstrend. Alle anderen haben diese Entwicklung – die ja auch zu materiellem Wohlstand führte – später, zum Teil viel später nachvollzogen. Wer also soll vorausgehen bei der Erreichung der Klimaneutralität? Wir Europäer haben kein Recht, auf die Chinesen oder die Inder zu zeigen. Und innerhalb Europas: Wer soll die Themenführerschaft beim Klima übernehmen? Die Briten? Griechenland oder Portugal? Ohne polemisch sein zu wollen, derzeit bringen wohl Deutschland, Österreich, die Schweiz, die Benelux-Länder und vielleicht noch Frankreich die besten Voraussetzungen mit, als Vorreiter zu agieren und andere mitzuziehen.
Die Bedeutung des Einzelnen ist hingegen schnell erklärt: Wir stehen vor einem gesellschaftlichen Wandel ungeheuren Ausmaßes. Wenn uns der klimaverträgliche Lebensstil auch noch so bereichert, gesünder macht und vielleicht auch glücklicher – nur ein kleiner Teil der Bevölkerung wird sich aus freien Stücken verändern. Hier müssen politische Lenkungsmaßnahmen, wie z.B. die CO2-Steuer greifen, doch nur wenn schon eine kritische Masse zeigt, wie gut dieser veränderte Lebensstil funktioniert, können die Maßnahmen auf Akzeptanz stoßen. Jenen, die die Notwendigkeit sehen und im Stande sind, Vorbild zu sein, kommt die wichtigste Rolle in diesem Veränderungsprozess zu. Wir vergessen allzu oft: Gesellschaftlicher Wandel findet durch das Handeln einzelner Menschen statt – durch wen sonst?
Ich kenne aber keine wissenschaftliche Publikation, die behauptet, dass ein jährlicher Südsee-Trip, ein neues Auto oder Konsum überhaupt glücklich macht. Ich behaupte also das Gegenteil: Man muss nicht auf alles Schöne verzichten, man kommt vielmehr erst durch einen reduzierten Lebensstil in den Genuss davon.
Klimarettung hat oft auch das Image, dass man auf alles Schöne verzichten müsste, damit es wirklich etwas bringt. Ist das so? Nie wieder Urlaub?
Was ist denn das Schöne? Kürzlich hab ich eine kleine Publikation „Zehn wissenschaftliche Wege um glücklich zu sein“ entdeckt. Da finden sich Dinge wie Zeit mit der Familie verbringen, Sport betreiben und meditieren, Zeit in der Natur verbringen, anderen helfen – wir kennen diese Tipps und Ratschläge ja. Ich kenne aber keine wissenschaftliche Publikation, die behauptet, dass ein jährlicher Südsee-Trip, ein neues Auto oder Konsum überhaupt glücklich macht. Ich behaupte also das Gegenteil: Man muss nicht auf alles Schöne verzichten, man kommt vielmehr erst durch einen reduzierten Lebensstil in den Genuss davon.
Warum gibt es so viele Menschen, die Klimaschutz für eine moderne Erfindung halten und nicht glauben, dass man wirklich etwas tun muss und es bald schon zu spät dafür ist?
Gibt es wirklich so viele? Oder sind die wenigen die es gibt nur ziemlich laut? Unabhängig davon ist die globale Erwärmung natürlich eine „unbequeme Wahrheit“. Man würde sie vielleicht am liebsten verdrängen – je mehr sie aber in unseren Alltag gelangt umso weniger ist das möglich. Man kann sie also nur noch akzeptieren oder leugnen. Und manche Menschen entscheiden sich eben für letzteres. Ich glaube aber, dass es sich hierbei um eine Minderheit handelt.
Ich persönlich habe mittlerweile große Probleme damit, wenn ich jemanden beobachte, der seine Zigarettenkippe achtlos auf die Straße wirft oder Coffee-to-go in einem Becher trinkt, den man nicht wiederverwenden kann. Wie machen Sie das? Klären Sie auch ihr privates Umfeld über das Klima auf bzw. weisen auf „Verfehlungen“ hin?
Nein, ehrlich gesagt kann ich mir das weitgehend verkneifen. Ich setze viel mehr auf die Vorbildwirkung als auf das Missionieren. Obwohl es da innerlich durchaus manchmal das Bedürfnis gibt…
In Ihrem Buch „Warum Meerschweinchen das Klima retten“ zeigen Sie ganz anschaulich, mit welchen Verhaltensweisen man wie viel CO2 produziert und welchen Unterschied eine Änderung hat. Ich begrüße das sehr, weil oft vermittelt wird, dass es nur ein ganz oder gar nicht gibt. Wie sehen Sie das?
Ich halte diese Differenzierung für absolut erforderlich. Wir wissen, dass es theoretisch möglich ist, den Fußabdruck von derzeit durchschnittlich zwölf Tonnen (CO2 pro Person und Jahr) auf vielleicht vier Tonnen zu reduzieren, nur durch den Lebensstil. Das macht aber erstens eine ziemliche Radikalkur erforderlich und ist zweitens dennoch viel zu wenig. Ohne die technischen Strategien der Effizienz und der Erneuerbaren wird es nicht möglich sein, auf die erforderliche EINE Tonne zu reduzieren. Hierzu ist unbedingt die Kombination aller drei Strategien zu verfolgen. Und diesen technischen Strategien sei Dank, dass wir kein wirklich asketisches Leben führen müssen. Es genügt, wenn wir mit Hilfe unseres Lebensstils ein Drittel zur Problemlösung beisteuern. Leider wird aber derzeit nur eine Entweder-Oder-Diskussion geführt: Die Einen sind der Meinung, dass überhaupt keine Einschnitte in die persönliche Freiheit akzeptabel sind (Was ist denn das überhaupt? Ist es ein Menschenrecht, mehr CO2 zu emittieren als der Planet verträgt?); die Anderen haben kein Vertrauen in die Technologien und glauben, dass sich die Gesellschaft radikal verändern muss, möglichst von heute auf morgen. Das wird sich aber auch nicht spielen. Wir brauchen alle Strategien, die uns zur Verfügung stehen.
Wie kann man auch sein Umfeld in Sachen Klima sensibilisieren und zum Umdenken anregen? Haben Sie einen Tipp?
Ich bleibe dabei: Vorbild sein. Bei Interesse auch darüber diskutieren, erklären. Aber ich denke, das ist meine Art damit umzugehen; es gibt auch andere Möglichkeiten. Etwa die Fridays-For-Future aktiv zu unterstützen, mit ihnen zusammen auf die Straße zu gehen. Sich bei einer der vielen anderen For-Future-Organisationen aktiv einbringen: Parents-, Teachers-, Entrepreneurs-, Scientists-, Architects-; es gibt ja wirklich schon für jede(n) etwas.
Vielen Dank für Ihre Antworten zu diesem wichtigen Thema.