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Wer kennt das nicht? Im Laufe der Zeit sammelt sich unnützes Zeug in der Wohnung an und bald hat man vor lauter Staubfängern und nutzlosem Plunder kaum mehr Platz für sich selbst. Francine Jay geht dem Phänomen intelligent auf den Grund und erkundet unser zutiefst menschliches Sammelverhalten. Sie zeigt, wie wir uns von unnötigem Ballast befreien können und macht mit praktischen Anregungen und einer überzeugenden Konsumkritik Lust aufs Loslassen.
Minimalistisches Leben
Im Grunde würde ich mich als ordentlicher und strukturierter Mensch bezeichnen, allerdings habe auch ich ein paar Plätze (z.B. der Schreibtisch), auf dem sich gerne Dinge stapeln und manches einfach nur abgeladen wird. Jedes Jahr, meist zu Beginn des Frühjahrs, bekomme ich immer regelrechte Anfälle und möchte mich von altem Ballast und blöden unnützen Dingen befreien. Ausmisten tut gut und deshalb sollte man es regelmäßig tun.
‚Less is More‘ befasst sich jedoch mit Minimalismus und dies wird fälschlicherweise oft mit Ausmisten gleichgesetzt. Minimalismus ist aber nicht einfach nur Ordnung schaffen, sondern eine Lebensform, in der man grundsätzlich mit nur wenigen Dingen auskommt und sich von vielen unnötigen Dingen befreit. Statt neue Dinge zu kaufen wird getauscht oder geliehen und Dinge werden erst ersetzt, wenn etwas wirklich kaputt ist.
Seit 2009 bloggt Francine Jay auf ‚Miss Minimalist‚ über Minimalismus. Damals brach sie auf eine Weltreise auf, bei der ihre ganzen Besitztümer in einen einzigen Koffer passten. Nach dieser Lektüre weiß ich definitiv, dass ich niemals so wirklich minimalistisch Leben könnte. Denn dazu gehört etwas mehr, als einfach mal alle Räume zu entrümpeln. Allerdings gibt es viele Ansätze, die jeder von uns in sein leben und seinen Tagesablauf integrieren kann. Letzten Endes übt Minimalismus auch jeder anders aus.
Während des Lesens habe ich mich aber ziemlich oft ertappt, wie ich mein Zuhause genauestens unter die Lupe genommen habe. Ich hatte mehrmals das dringende Bedürfnis jetzt sofort loszulegen und mich von einigen Dingen zu trennen. Motivieren kann die Autorin also auf jeden Fall.
Entrümpeln ist unendlich viel einfacher, wenn du entscheidest, was du behältst – und nicht, was du wegschmeißt. S. 79
Das Buch ist in unterschiedliche Abschnitte gegliedert, die ich sehr sinnvoll fand. Zu Beginn erfährt der Leser einiges über die Philosophie des Minimalismus und was sich dahinter verbirgt. Für mich ein spannender Teil, weil ich die Beweggründe sehr gut nachvollziehen konnte. Im Abschnitt der Rationalisierung geht es vor allem darum, wie man zukünftigen Krempel vermeiden kann und dafür sorgt, dass sich erst gar nicht mehr so viel Müll im eigenen Zuhause ansammelt. Dabei wirkt die Autorin nie belehrend, sondern hat hilfreiche Tipps und Tricks auf Lager, die mich durchaus überzeugt haben. Entsorge ein Teil, wenn ein neues einzieht, wäre beispielsweise ein Tipp davon.
Wenn man die Regeln und die Philosophie verinnerlicht hat, dann geht Francine Jay mit dem Leser durch alle wichtigen Räume und entrümpelt, was weg kann und erhält, was bleiben darf. Für mich eine prima Inspiration, weil hier auch nie eine bestimmte Ordnungsart vorgeschrieben wird, sondern es einfach grundlegend um Ordnung geht. Auch Geschenken und Erb- und Erinnerungsstücken ist ein extra Abschnitt gewidmet, weil es oft schwer fällt, sich von diesen Dingen zu trennen, obwohl man sie eigentlich gar nicht wirklich schön findet oder gar benutzen kann.
Am Ende versucht die Autorin zu zeigen, wie man auch andere Familienmitglieder anleiten kann, Minimalismus in den Alltag zu integrieren und warum Minimalismus auch hilft, die Welt ein bisschen besser zu machen. Ich habe dieses Buch in nur wenigen Tagen gelesen und einiges für mich mitgenommen. Obwohl es hier gar nicht ums Entrümpeln an sich geht, sondern um eine ganze Lebensform, fand ich dieses Buch beispielsweise weit besser, als ‚Magic Cleaning‘ von Marie Kondo. Das Buch ist wegen seines einfachen Schreibstils leicht zu lesen und optisch sehr nett aufgemacht. Wichtige Merksätze sind im ganzen Buch durch eine größere Schriftart hervorgehoben und bringen nochmal kurz auf den Punkt, worum es in den einzelnen Abschnitten geht.
Fazit
Wer sich näher mit Minimalismus befassen möchte und eine Anleitung für ein einfacheres, befreiteres Leben sucht, der sollte sich dieses tolle Buch von ‚Miss Minimalist‘ Francine Jay auf jeden Fall näher anschauen. Motivierende Erklärungen und interessante Sichtweisen machen dieses Buch zu einem unterhaltsamen Sachbuch, das ich sehr gerne gelesen habe.
5/5 Punkten
Less is More: Von der Freude des Weglassens von Francine Jay – aus dem Amerikanischen von Anu Katariina Lindemann – Mosaik – 320 Seiten – ISBN 978-3-442-39307-7 – Paperback – 16,99 Euro – bei Amazon kaufen*
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