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DATEN
Bewusstlos von Sabine Thiesler – Heyne – 512 Seiten – ISBN 978-3453268067 – Gebundene Ausgabe – 19,99 Euro – Hier kaufen
INHALT
Als Raffael erwacht ist die Kleidung die er trägt blutdurchtränkt. Er gerät in Panik, denn von letzter Nacht fehlt ihm jegliche Erinnerung. Wenn er getrunken hat, weiß er oft nicht mehr was er tut. Er mordet vielleicht ohne es zu wissen. Aber nicht nur das. Als ihn in Berlin nichts mehr hält, sucht er seine Eltern und findet sie in der Toskana. Dort ist er aber nur anfangs willkommen, denn Raffael ist nicht mehr der Sohn, den seine Eltern früher einmal hatten. Spannend und beklemmend.
MEINE MEINUNG
Sabine Thiesler ist dem Thriller-Leser keine Unbekannte. Auch mir lief der Name des Öfteren über den Weg, gelesen habe ich bisher aber nie etwas von ihr. „Bewusstlos“ also mein erstes Buch einer Autorin, bei der ich in keinster Weise wusste, was mich erwartet.
Jetzt sitze ich hier und bin einerseits fasziniert, andererseits aber auch ein wenig ratlos. Die Autorin hat es geschafft mich zu fesseln, mich zu überraschen und mich zu begeistern. Allerdings hat sie mich auch mit einigen Fragen zurückgelassen, die ich sehr gerne gelöst gehabt hätte.
Das Buch beginnt mit einem spannenden Prolog, der den Leser sofort fesselt und gleichzeitig auch zutiefst schockiert. Mit diesem Erlebnis fertig zu werden, stell ich mir grundsätzlich schwierig vor. Was dann aber passiert, ist der reinste Albtraum. Zufälligerweise habe ich vorher gelesen, dass Sabine Thiesler auch für den Tatort geschrieben hat. Glücklicherweise ist dieses Buch aber so viel besser, als eine typische Tatort-Folge es sein könnte. Es gibt keine Ermittler die hier eine Rolle übernehmen und einen Fall aufklären müssen. Es gibt nur einen Psychopathen, den man die ganze Zeit durch das Buch folgt und vor dem man Seite für Seite als Leser immer mehr Abneigung empfindet und dem man nicht einmal tagsüber gerne begegnen würde.
Zwei Eltern die mit ihren beiden Kindern, den Zwillingen Raffael und Svenja in Nordfriesland leben und dort das Leben einer typischen Bilderbuchfamilie führen. Bis eines Tages ein schreckliches Unglück geschieht, dass die ganze Familie von Grund auf zerstören wird. Svenja stirbt bei einem tragischen Unfall und Raffael hat seine geliebte Zwillingsschwester verloren. Seine andere Hälfte, ohne die er sich nie mehr ganz fühlen wird. Er verschließt sich, spricht kein Wort mehr und die Eltern verzweifeln.
Jahre später geht es mir Raffael weiter. Er ist jetzt ein junger Mann, der seine Vergangenheit vergessen will. Aggressiv, brutal und hochgradiger Alkoholiker. Ein Mensch vor dem man sich fürchten muss und auch bald fürchten wird. Eines Morgens erwacht er in blutdurchtränkter Kleidung, doch erinnern kann er sich nicht. Was ist geschehen? Wessen Blut ist das? Als seine Vermieterin in Berlin stirbt und er sich ihre Ersparnisse unter den Nagel reißt, sucht er seine Eltern. In der Toskana wird er fündig. Mit ihnen hat er noch eine Rechnung offen, schließlich muss er sich dafür rächen, dass er im Stich gelassen wurde.
Mit Raffael ist Sabine Thiesler ein psychologisch hochgradig interessanter und dabei auch ein abscheulicher und grausamer Protagonist gelungen. Fassunglos verfolgt man als Leser, wie kaltblütig ein Mensch sein kann. Auch die Eltern Christine und Karl sind ihr gut gelungen. Man geht bei Eltern ja automatisch davon aus, dass diese ihre Kinder lieben. Egal was auch geschehen mag. Wie die einstige Liebe aber in Hass umschlägt ist sehr gut zu verstehen und nachvollziehbar. Die Autorin beherrscht es ausnehmend gut ihre Protagonisten authentisch darzustellen, was dieses Buch besonders auch deshalb bereits von der ersten Seite an spannend sein lässt. Die Spannungskurve flacht dauerhaft auch nie ab, sondern steigt über das ganze Buch hinweg sogar an.
Die Auflösung spielt sich in den letzten Kapiteln ab und kam für mich sehr abrupt. Mir fehlten leider die Antworten auf einige Fragen die sich im Lauf des Buches ergeben haben. Welche das waren, werde ich auch Spoilergründen nicht verraten. Wer das Buch aber selbst liest, wird das vielleicht ebenso bemerken. Vielleicht ist es auch typisch Sabine Thiesler, dass man nicht auf alles eine Antwort haben muss. Vielleicht will die Autorin auch Spielraum für eigene Interpretationen lassen. Ich weiß es leider nicht, denn bisher habe ich noch kein Thiesler-Buch gelesen. Ich hätte manches aber doch ganz gerne noch gewusst.
Zwischendurch kam mir öfter der Gedanke, dass manche Handlungsstränge unnötig waren. Wenn man die Geschichte aber am Ende betrachtet, dann war alles was dabei war genauso richtig und an seinem Platz. Jedes einzelne Stück ergab am Ende ein großes Ganzes und eine Geschichte die psychologisch verstörend war, spannend, fesselnd und nicht so wie ich sie erwartet hätte. Im positiven Sinn natürlich.
Ich werde mich nun auch an andere Bücher der Autorin wagen und kann dieses Buch Thrillerfans sehr ans Herz legen. Besonders denen, die nicht auf Ermittler stehen und gerne Handlungen lesen, die mit verstörenden und psychopathischen Protagonisten aufwarten können.
FAZIT
Ein spannendes und mitreißendes Buch, dass den Leser nach den ersten Seiten fesselt und gleichzeitig auch mit einem psychologisch interessanten Protagonisten aufwarten kann. Besonders empfehlenswert für all die Leser, die weniger auf klassische Ermittler stehen und sich in die Psyche eines abartigen Menschens hineindenken möchten. Aufgrund einiger offener Fragen hat es nur für 4 Punkte gereicht. Das Buch kann ich dennoch uneingeschränkt empfehlen.
4/5 Punkten
Rechte am Cover liegen beim Verlag
4 Kommentare
Hmmm, ich habe immer noch gemischte Gefühle, was dieses Buch angeht. Habe von Frau Thiessler „Nachtprinzessin“ gelesen war einfach nur total enttäuscht. Es war ziemlich durcheinander, hat viele Fragen offen gelassen und der Protagonist war das reinste Ekel. Ich mache mir jetzt ein wenig Sorgen, dass das hier genau so sein könnte, denn du beschreibst das Buch ja schon ein wenig in diese Richtung. Andererseits hört sich das aber auch total spannend an und ich stehe ja auf gestörte Protagonisten *grins* Also deine Rezi ist wirklich gut gelungen, aber ich kann mich trotzdem immer noch nicht entscheiden, ob es nun was für mich ist oder nicht ;o)
LG,
Linda
Hallo Linda,
danke für dein Feedback. Wenn ich jetzt wüsste wie „Nachtprinzessin“ ist, dann könnte ich dir sagen ob die Bücher ähnlich sind. Aber ich kenn das leider noch nicht. Grundsätzlich geh ich ja immer davon aus, dass ein Autor einen gewissen Stil hat, der beibehalten wird. Der Protagonist hier, ist auf jeden Fall nicht ohne. Eben sehr psychopathisch, ebenfalls sehr krank und verstörend und kann durchaus auch als der reinste Ekel empfunden werden. Könnte also vielleicht in die Richtung gehen, aber genau kann ich es dir natürlich nicht sagen.
Liebe Grüße
Petzi
Hi Petzi,
danke für deine Antwort, das hilft mir nochmal ein kleines bisschen weiter :o) In „Nachtprinzessin“ war der Protagonist in sofern unausstehlich, dass er einfach unglaublich nervig und die perfekte, männliche „Zicke“ war. Ein „waschechter“ Psycho war er also nicht, sondern man hat sich einfach nur die ganze Zeit von ihm genervt gefühlt. Also ich denke, dass ich dem Buch mal eine Chance geben werde :o)
LG,
Linda
Hallo Petzi,
scheint ja wirklich ein interessantes Buch zu sein, aber der Preis..O.K. gebundene Ausgabe sagt da wohl alles.
Da werde ich wohl eher warten bis die TB herauskommt. Aber es ist schon mal notiert.
LG..starone…