‚Rattatatam, mein Herz‘ von Franziska Seyboldt

von Petzi

 

Angststörungen treten laut einer internationalen Studie häufiger auf als Depressionen. Und doch sind sie immer noch ein Tabuthema. Franziska Seyboldt will dies mit »Rattatatam, mein Herz« ändern. Die Angst hat sich schon früh eingeschlichen in Franziska Seyboldts Leben. Und sie ist weit über das hinausgegangen, was man allgemein unter »ängstlich« versteht. Angst davor, mit der U-Bahn zu fahren, zum Arzt zu gehen, in beruflichen Situationen zu versagen, kurz: generalisierte Angststörung. Panikattacken. Millionen von Menschen kämpfen sich mit dieser Erkrankung und der daraus resultierenden Angst vor der Angst durchs Leben und sind wahre Meister im Ausredenerfinden geworden, notgedrungen. Warum spricht niemand darüber? Warum ist die Angststörung nicht so »normal« wie Depressionen oder Burn-out? Diese Fragen stehen am Anfang von Franziska Seyboldts poetischem und mutigen Buch, das ihren Weg durch die Angst beschreibt. Sie ist nie eingeladen, diese Angst, und doch immer dabei. Indem sie unter ihrem Klarnamen schreibt, befreit sich Franziska Seyboldt aus dem Zwang nicht aufzufliegen, keine Schwäche zu zeigen: »Ist man schwach, wenn man Schwäche zeigt, oder holt man sich gerade so die Kontrolle zurück?«, fragt sie. Ein wegweisendes Buch, das eines der wichtigsten Themen unserer durchperfektionierten Gesellschaft aufs Tapet bringt.

 

Die Angst vor der Angst

Franzsika Seyboldt hat etwas gemacht, wofür man in der heutigen Zeit in unserer Gesellschaft echten Mut haben muss. Sie hat ganz offen über ihre Angststörung geschrieben und das unter ihrem Klarnamen veröffentlicht. Eine Angststörung ist nämlich mit noch mehr Tabus behaftet, als eine Depression sowieso schon und wer davon betroffen ist, der gibt es selten offen zu. Die Krux an der Sache ist aber, dass mehr Menschen an einer Angststörung erkrankt sind, als man gemeinhin denken mag. Und mit einer Angststörung ist keineswegs die ’normale‘ Angst gemeint, die uns alle irgendwann einmal überfällt. Vielmehr ist es eine krankhafte Form, die eine normale Teilnahme am Leben in den schlimmsten Fällen fast unmöglich macht.
Sie lauert tief in dir drin und bricht sich Bahn, wenn du nicht damit rechnest. Plötzlich kommt sie zum Vorschein, überfällt dich, ergreift dich und drückt dich nieder. Die Angst ist eigentlich nur ein natürlicher Schutzreflex, den jeder von uns in sich trägt. Doch manchmal kann dieser Schutzreflex überhandnehmen und uns ’schützen‘, wenn es gar nichts zu schützen gibt. Die Panik kommt von einem Moment auf den anderen, das Herz rast, der Schweiß bricht aus und man ist der festen Überzeugung, dass man wahrscheinlich gleich ohnmächtig werden wird. Die Anzeichen und Verläufe einer Angststörung sind so vielfältig, wie die Personen, die sie erleiden und dennoch haben alle Attacken eines gemeinsam: man möchte das nie wieder erleben.
Betroffene fangen an bestimmte Momente und Situationen zu meiden, um einer erneuten Attacke zu entgehen. Panik in der U-Bahn? Wenn ich jetzt nie wieder U-Bahn fahre, dann sollte das doch wohl auch nie wieder passieren? Ganz so leicht ist es jedoch nicht und am Ende, ehe man sich versieht, hat sich das soziale Leben auf ein Minimum reduziert, man fängt an Ausreden für Verabredungen zu erfinden, weil man nicht erzählen mag, was wirklich dahinter steckt. Und erzählt man trotzdem, wie es einem geht und was einen gerade beschäftigt, dann erntet man häufig Unverständnis. Nicht betroffene Personen kommen häufig mit klugen Ratschlägen daher. Ein Satz der da ganz schnell fällt: „Stell dich doch nicht so an.“ Aber genau diese Ratschläge bringen nichts, denn wenn man das wirklich so einfach abstellen könnte, dann hätte man es schon längst getan.
Franziska Seyboldt hat etwas gewagt, was viel mehr Menschen wagen müssen. Sie hat die Angst nicht verdrängt, nicht versteckt, keine Ausreden gefunden. Sie hat darüber geschrieben und sich damit sichtbar gemacht. Ein Mut machendes Buch für alle Betroffenen, denen es genauso geht oder die schon ähnliches erlebt haben. In einem humorvollen und oft auch sarkastischen Schreibstil spricht sie mit der Angst und erzählt aus ihrem Alltag. Sie erzählt auch, was sich geändert hat, seit sie die Angst nicht mehr versteckt. „Es ist mir nicht mehr so wichtig, was die anderen von mir denken. Aber umso wichtiger, wie ich mich fühle.“ war der Satz, den ich mir direkt dick und fett markiert habe. Denn er ist nicht nur anwendbar auf Angststörungen, sondern auf so vieles andere im Leben auch.
Auch ich kenne die Sache mit der Angst, auch wenn ich glücklicherweise nie so schwer damit zu kämpfen hatte, dass ich ärztliche Hilfe benötigt hätte. Dieses hilflose Gefühl werde ich jedoch dennoch nicht vergessen. Ich wünsche mir eine Gesellschaft, die sich über Menschen mit Angststörungen nicht lustig macht, die nichts verharmlost und sie zu Weicheiern degradiert, die dem Leben vermeintlich nicht gewachsen sind. Vielmehr ist dies eine ernsthafte Erkrankung, die sich niemand ausgesucht hat und wofür keiner etwas kann. Denn mal ernsthaft, wer würde sich denn bitte freiwillig eine Angststörung wünschen?

Fazit

Ein sehr lesenswertes Buch, das ein großes Tabu bricht und offen und schonungslos über Angststörungen berichtet. In kurzen und spannenden Kapiteln geht die Autorin auf ihre Erkrankung ein und plädiert dafür, viel weniger darauf zu schauen, was andere denken und sich stattdessen vielmehr auf sich selbst zu konzentrieren.

 

Rattatatam, mein Herz von Franziska Seyboldt – KiWi Verlag – 256 Seiten – ISBN 978-3-462-05047-9 – Pappband – 18,- Euro

 

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4 Kommentare

Joel 31/01/2018 - 22:33

Ich bin kein Fan von diesen Büchern aber es soll eines der Besseren sein. Das Cover spiegelt meiner Meinung jedoch den Inhalt gut wieder.
Liebe Grüße
Joel von Büchervergleich.org

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Melina | Vanilla Mind 31/01/2018 - 22:54

Ich habe das Buch von der ersten Seite an geliebt! Natürlich wollte ich das Buch allein schon wegen des wichtigen Themas lesen, aber Franziska Seyboldt hat so bewegend und humorvoll geschrieben, dass ich einfach angetan war. 🙂 Habe es heute übrigens auch auf Vanilla Mind vorgestellt.
Liebe Grüße!

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Susanne 01/02/2018 - 08:10

Ein bewegendes Buch mit vielen Aussagen, die mich sehr beeindruckt haben.

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Annika 12/02/2018 - 17:30

Nachdem ich das Buch zum ersten Mal auf Instagram gesehen habe, habe ich es mir gleich vorbestellt und inzwischen auch gelesen. Mein Buch klebt voller Klebezettel und Anmerkungen am Rand – ein wirklich tolles Buch über ein wichtiges Thema!

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