„Seinen Körper mit guten Lebensmitteln zu nähren ist Wertschätzung.“ – Interview mit Kochbuch-Autorin Adrienne Tonner von Oh my Gut!

von Petzi

© Florian Grill

Liebe Adrienne, du bist Ernährungsberaterin und hast eine Schwäche für Schokolade. Das schreibst du so zumindest in deinem Buch. Möchtest du ein bisschen mehr über dich und deinen Weg erzählen? Wie entstand „Oh my Gut!“?

Von Haus aus bin ich eigentlich Werbetexterin. Jedoch hatte jedoch immer ein großes Interesse am Thema Ernährung. Nicht nur kulinarisch, weil ich wahnsinnig gerne koche, sondern auch wissenschaftlich. Mich hat schon immer wahnsinnig interessiert, was Ernährung mit unserem Körper macht und wie wir sie nutzen können, um uns rundum wohlzufühlen. Je mehr ich darüber im Netz und Ratgebern las, desto verwirrter war ich irgendwann. Mal war Low Carb der heilige Gral, mal glutenfreie Ernährung, dann Veganismus, Ayurveda, Detoxkuren usw.
Mir wurde klar: Wenn ich wirklich verstehen will, was gut und gesund für meinen Körper ist, brauche ich fundiertes Wissen. Also habe ich kurzerhand nochmal die Schulbank gedrückt – 2 Jahre lang neben dem Job im Fernstudium. Während dieser Zeit habe ich wahnsinnig viel gelernt und ich hatte sogar einige persönliche Aha-Momente. Als mir klar wurde, wie ausschlaggebend die Darmflora für unser Wohlbefinden ist, spezialisierte ich mich auf diesen Bereich. Ich habe Studien zu dem Thema durchforstet und mir viel Fachliteratur dazu einverleibt. Mit der Zeit kam die Idee auf, mein Wissen zu teilen. Naja… und was liegt für eine Werbetexterin näher als einfach darüber zu schreiben?

Du hast in kompletter Eigenregie ein ganzes Kochbuch veröffentlicht. Nebenbei bemerkt eine große Empfehlung. Wann kam die Idee für dieses Projekt? Wie lange hat es gedauert?

Vielen Dank. Freut mich, dass dir das Buch gefällt! Die Idee zum Buch kam beim Lesen der Fachbücher zum Thema Darmgesundheit. Ich fand, dass die Bücher den Darm, seine Funktion und die Wirkung der Ernährung oft sinnvoll erklärten, jedoch waren sie kulinarisch wenig bis gar nicht inspirierend. Ich dachte irgendwann: „Es müsste ein Buch geben, das das Thema leicht und unterhaltsam erklärt und dabei richtig Lust auf eine darmfreundliche Ernährung macht.“ Weil ich ein solches Buch nicht finden konnte, beschloss ich es selbst zu schreiben.
Ich denke, das ist auch der Grund, warum sich mein Buch gar nicht so klar einordnen. Auf der einen Seite umfasst es 100 Seiten Wissen mit einem Ernährungsguide, Tipps für eine darmfreundliche Ernährung, Wochenplänen und Einkaufslisten und auf der anderen Seite enthält es viele leckere darmfreundliche Rezepte, die kulinarisch Spaß machen – von Lasagne bis Mousse au Chocolate. Es ist also nicht nur ein Ratgeber und Sachbuch, sondern auch ein Kochbuch mit fast 100 Rezepten. Das Beste aus zwei Welten, würde ich sagen.
Das Buch selbst zu produzieren und zu verlegen hat über ein Jahr gedauert. Ich hatte großes Glück, dass ich viele Freunde habe, die mich mit ihren beruflichen Fähigkeiten dabei unterstützen konnten. Ohne einen guten Fotografen, eine top Graphikerin, Reinzeichnerin, eine spitzen Lektorin und liebe Menschen, die mir bei der Organisation geholfen haben, wäre das Buch in dieser Qualität gar nicht umsetzbar gewesen.

Ernährst du dich schon immer gesund? Oder sah das früher anders aus?

Ich habe schon immer auf meine Ernährung geachtet. Viel Obst und Gemüse gegessen. Nichts desto trotz habe ich lange Zeit falschen Ernährungsdogmen aufgesessen. Ich war zum Beispiel bis zu meinem Ernährungsberatungsstudium davon überzeugt, dass eine Low Carb Ernährung total gesund ist. Mittlerweile weiß ich, dass der Verzicht auf Kohlenhydrate nicht unbedingt immer gut für uns ist. Insbesondere in Hinsicht auf die Darmgesundheit. Auch das Thema Proteine habe ich total überbewertet. Ja, wir brauchen Proteine. Aber bei weitem nicht so viel, wie uns die Lebensmittelindustrie mit ihren ganzen Proteinshakes, Riegeln und Co. weismachen möchte.

Du legst besonders viel Wert auf eine gesunde Ernährung, die auch die Darmflora positiv beeinflusst. Das gefällt mir persönlich sehr gut, da die Darmflora ja oft außer Acht gelassen wird. Was fasziniert dich an diesem Thema so?

Ach, darüber gibt es so viel Faszinierendes zu erzählen. Der Darm hat mehr Macht über unseren Körper als wir denken. Er beeinflusst unsere Immunabwehr, unsere Hormone, unsere Psyche und sogar unser Körpergewicht maßgeblich mit. Das liegt daran, dass die Mikroben, die billionenfach in unserem Darm beheimatet sind, Botenstoffe produzieren. Durch sie kann unser Darm mit unserem Gehirn, unserer Leber und zahlenreichen Bereichen unseres Körpers kommunizieren. Zudem befinden sich ca. 70% unserer Immunabwehrzellen im Darm. Ist unser Darm in Balance und frei von heimlichen Entzündungen sind wir immunstärker und weniger anfällig für Erkrankungen. Es lohnt sich also in jedem Fall seinen Darm und seine Darmbakterien zu pflegen und zu nähren. Hierfür ist die richtige Ernährung der Schlüssel.

Viele Diäten sind eher kontraproduktiv für die Darmflora. Dennoch kommen ständig neue Trends auf, die viele Anhänger finden. Warum funktionieren die meisten Diäten aber nur kurzzeitig oder überhaupt nicht?

Viele Diäten haben nur das Kaloriendefizit im Fokus. Low Carb Diäten, Paleo, Keto werden zum Beispiel gehypt, weil Proteine und Fette hier zum Einsatz kommen, die gut sättigen. Dadurch isst man tendenziell weniger. Jedoch essen viele Menschen bei diesen Diäten oft viel zu viele schlechte Fette, die die Darmflora schädigen. Die guten Darmbakterien, die uns nachweislich dabei helfen können, langfristig schlank zu werden, werden dadurch Zugunsten der weniger förderlichen Darmbakterien verdrängt, die sich über Fette freuen. So nimmt man im ersten Moment wegen eines Kaloriendefizits erfolgreich ab, hat es aber langfristig sehr viel schwerer sein Gewicht zu halten, weil die Darmflora aus der Balance geraten ist.

Zudem sollte Ernährung intuitiv funktionieren. Punkte oder Kalorien zählen, strikte Verbote und Dogmen kann kein Mensch ewig durchhalten. Diese Art der Ernährung führt dazu, das viele verlernen auf ihren eigenen Körper zu hören. Mit einer darmfreundlichen Ernährung findet man langfristig wieder zu einer intuitiveren Ernährungsweise, weil man auf die Signale seines Körpers wieder mehr vertrauen kann. Hier spielt auch der Zusammenhang zwischen Darm und Hormonen eine wesentliche Rolle.

Würdest du sagen, dass man auch ohne Diäten und großartigen Verzicht ein gesundes Normalgewicht erreichen kann?

Mein Freund ist dafür der lebende Beweis. Durch unsere Umstellung auf eine darmfreundliche Ernährung hat er trotz Pizza, Kuchen und Burger innerhalb eines Jahres ca. 13 Kilo Gewicht verloren. Alles was wir gemacht haben, war auf eine schlaue, darmfreundliche Lebensmittelauswahl zu achten. Durch sie lässt übrigens auch langfristig die Lust auf Süßes nach, man erlangt wieder mehr Sättigungsgefühl und Selbstkontrolle beim Essen. Das war für mich als Schokofan natürlich auch super. Endlich konnte ich mal nur ein Stück Schokolade essen, statt gleich die ganze Tafel zu vernichten. Mir persönlich hat diese Ernährungsweise sehr dabei geholfen wieder eine intuitive Art des Essens zu erlangen, die dem Gewicht langfristig gut tut – statt nur kurzfristig. Ich glaube, das ist der Schlüssel zum Normalgewicht (Wenn der Grund für die zusätzlichen Kilos nicht krankheitsbedingt ist.)

Für wen ist dein Kochbuch geeignet?

Für alle, die Lust haben ihrem Immunsystem und Körper etwas Gutes tun. Wer Lust hat, kann mit dem 4-Wochenprogramm und dem Ernährungsguide seinen Darm wieder gezielt in Balance bringen.
Man kann sich aber auch einfach inspirieren lassen und viele leckere Rezepte, die dem Darm gut tun, ausprobieren. Die Rezepte sind alle pflanzenbasiert. Es gibt fast immer vegane Varianten und für Menschen mit Glutenunverträglichkeit auch viele glutenfreie Optionen. Natürlich ist das Buch auch für Menschen interessant, die das eine oder andere Kilo verlieren wollen. Einige Leserinnen haben mir schon von ihren ersten Erfolgen beim Abnehmen berichtet. Das freut mich natürlich ungemein.

Planst du irgendwann ein weiteres Kochbuch? Oder hast du andere Pläne?

Ja, vielleicht werde ich in den nächsten Jahren noch ein weiteres Kochbuch schreiben. Aktuell ist aber noch nichts konkret geplant. Das liegt auch an meinem aktuellen Projekt, das gerade viel Zeit in Anspruch nimmt.
Ich arbeite am Launch einer gesunden Zuckeralternative: Yacon Sirup. Er spielt auch in meinem Buch eine Rolle und findet in einigen Rezepten Verwendung. Der Sirup ist ein tolle Präbiotika-Quelle und dabei wunderbar zum Süßen geeignet. Das Produkt gibt es bereits von einigen Superfood-Vertrieblern online zu kaufen. Jedoch ist es nicht ganz günstig und schlecht vermarktet. Ich finde das total schade, weil es für unsere Gesundheit einen echten Mehrwert bietet, dem Darm gut tut und es wirklich beeindruckende Studien zu den gesundheitlichen Vorteilen dieses Sirups gibt.
Ich würde den Sirup gerne langfristig in den Einzelhandel bringen, damit er jedem zugänglich wird. Dafür habe ich ein Start-Up gegründet und mir tolle Partner in den Anden gesucht, die den Sirup in höchster Qualität für uns produzieren und nachhaltig verpacken. Wenn alles gut läuft, kann man den Sirup ab Ende April/Anfang Mai bereits online kaufen. Vielleicht gibt es den Sirup auch bald in den ersten Läden – hier gibt es auch schon erste Gespräche.
Übrigens: Geschmacklich schmeckt der Sirup ähnlich wie Ahornsirup. Wer Rezepte in meinem Buch gerne ohne den Sirup zubereiten möchte, kann auch Ahornsirup nehmen.

Super-Food Yacon-Wurzel

Die Yacon ist eine Pflanzenart von der Gattung der Smallanthus. Verwandt mit der Süßkartoffel und vom Geschmack her leicht süßlich. Aus der Knolle kann ein Süßungsmittel gewonnen werden. Das ist z.B. der oben erwähnte Yacon-Sirup. Von den Inkas wurde die Pflanze nicht nur verspeist, sondern auch als Heilmittel verwendet. Yacon ist reich an Oligofructose und daher auch diätetisch interessant, insbesondere für Diabetiker. Die Süßkraft beträgt zwischen 30 und 50 Prozent im Vergleich zur Saccharose.

Was bedeutet Essen für dich?

Ich finde, Essen hat auch immer etwas mit Selbstliebe zu tun. Seinen Körper mit guten Lebensmitteln zu nähren und mit allem zu versorgen, was er braucht, ist für mich ein Akt der Selbstachtung und Wertschätzung. Klar, sündigen muss auch mal erlaubt sein. Auch das ist für mich übrigens Selbstliebe. Denn immer nur auf den inneren Kritiker in sich zu hören, tut niemandem gut. Darüber hinaus ist Essen für mich Lebensqualität. Denn wer das Leben genießen will, der muss auch kulinarisch genießen können.

Seinen Körper mit guten Lebensmitteln zu nähren und mit allem zu versorgen, was er braucht, ist für mich ein Akt der Selbstachtung und Wertschätzung.

Kann man sich bei dir auch zu diesem Thema beraten lassen?

Klar, auf Anfrage kann man sich bei mir auch beraten lassen. Am besten schreibt man mir über meinen Blog ohmygut.de. Allerdings bekomme ich aktuell recht viele Anfragen und habe nur ein begrenztes Zeitkontingent für Beratungen. Kann sein, dass es hier zu Wartezeiten kommt.

Hast du gute Buchtipps zum Thema Ernährung, die auch dir weitergeholfen haben?

Es gibt viele Fachbücher in dem Bereich. Ich glaube, ich würde für deine Blogleser am ehesten die Bücher von Dr. Axt-Gadermann empfehlen, da sie für Laien gut verständlich geschrieben sind. Das Buch „Darm mit Charme“ ist natürlich auch ein Klassiker, der lesenswert ist. Ein weiteres Buch, was ich im Bereich Ernährung und Nährstoffe sehr gut recherchiert finde, ist das Buch „Vegan Klischee ade“ von Niko Rittenau. Es ist nicht nur für Veganer interessant.

Drei Zutaten, die du immer im Haus hast? Und was isst du am liebsten?

Was ich immer im Haus habe sind Äpfel, Nüsse/Nussmuse und Haferflocken.
Was ich am liebsten esse, das ist eine schwierige Frage. Es gibt so viele wunderbare Rezepte, die ich liebe. Eine Kindheitserinnerung von mir sind Apfelpfannkuchen und Kartoffelpüree. Zu diesen Rezepten habe ich eine emotionale Verbindung. Aber generell esse ich gerne bunt und abwechslungsreich – von asiatisch über Pasta bis hin zur deftigen Linseneintopf. Ich liebe Vielfalt und frische Zutaten.

Ganz lieben Dank für die Antworten.

Wenn du mehr zum Buch von Adrienne erfahren möchtest, dann solltest du unbedingt meine Besprechung dazu lesen. Auf „Oh my Gut!“ findest du außerdem weitere Infos zum Thema Darmgesundheit und Ernährung.

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