„Vollkommen undurchdringlich und als Charakter kaum zu fassen.“ – Interview mit Knut Krüger, dem Übersetzer von „Temper“

von Petzi

Der Job des Übersetzers ist unglaublich wichtig, wird aber leider viel zu oft unter den Teppich gekehrt. Wenn ein Buch in einer anderen Sprache erscheint, dann ist es der Übersezter, der dem Text den nötigen Schliff verleiht und es möglich macht, dass die Geschichte beim Leser das auslöst, was der Autor gewollt hat. Eine gute Übersetzung ist daher auch wichtig für den Erfolg des Buches. Das Buch „Temper“ wurde aus dem Amerikanischen von Knut Krüger übersetzt und genau den traf ich zum Interview.

Hallo Herr Krüger, neben „Temper“ haben Sie bereits mehrere Bücher ins Deutsche übersetzt. Wie kommt man zum Job des Übersetzers?
Prinzipiell kann das jeder tun, dem diese Art der Kulturvermittlung am Herzen liegt und der Freude am Jonglieren mit unterschiedlichen Sprachen hat.

Stört es Sie, dass Übersetzer viel zu wenig Aufmerksamkeit bekommen? Ihr Job ist schließlich nicht ganz unerheblich und ausschlaggebend für das jeweilige Buch.
Nein, das stört mich nicht. Dass Übersetzer in gewissem Sinne im Verborgenen arbeiten und ihre Arbeit in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wird, hat durchaus seinen Reiz. Ein übersetztes Buch soll vom Leser ja auch nicht als Übersetzung, sondern als Original wahrgenommen werden, das zwar in eine andere Sprache transportiert wurde, aber dennoch einen ganz unmittelbaren und natürlichen Sprachfluss hat.

Sie schreiben jedoch auch selbst Bücher. Wie wird man Autor? War der Wunsch schon immer da? Und könnten Sie sich vorstellen mal ein Buch im Stil von „Temper“ zu schreiben?
Bevor ich anfing, meine eigenen Geschichten zu erzählen, habe ich 20 Jahre lang ausschließlich übersetzt, was in vieler Hinsicht eine gute Schule war. Der Drang, eigene Geschichten zu schreiben und meine eigene „Sprachmusik“ zu machen, hat sich in dieser Zeit allmählich entwickelt.
Ein Buch im Stil von „Temper“ zu schreiben, würde mich in der Tat sehr reizen, obwohl ich bis jetzt ausschließlich Kinderbücher geschrieben habe.

Ist es schwierig ein Buch zu übersetzen, dass man am Ende womöglich überhaupt nicht mag und schrecklich findet? Oder liest man es zuvor schon in der Originalsprache und entscheidet sich erst dann dafür?
In der Regel hat man ein Buch, das man übersetzt, zuvor im Original gelesen und sich ein Urteil darüber gebildet, ob einen die Übersetzung überhaupt reizt. Ich würde zumindest jedem davon abraten, ein Buch zu übersetzen, das einem nicht gefällt. Sonst quält man sich Seite für Seite und es kommt auch nichts Gutes dabei heraus.

Zum anderen war ich fasziniert davon, wie souverän die Autorin Layne Fargo ihren ersten Roman entwickelt hat.

Was hat Sie persönlich an diesem Projekt am meisten gereizt und warum wollten Sie dieses Buch übersetzen?
Zum einen hat mich das Milieu interessiert, denn ich liebe das Theater. Zum anderen war ich fasziniert davon, wie souverän die Autorin Layne Fargo ihren ersten Roman entwickelt hat. Die Dramaturgie ist absolut schlüssig, die Spannung wächst stetig an, ihre Sprache ist locker und präzise zugleich, was das Übersetzen zu einer großen Freude gemacht hat.

Wie lange brauchen Sie in der Regel für die Übersetzung eines Buches und wie lange hat es ganz konkret bei „Temper“ gedauert?
Wie lange man braucht, hängt natürlich auch von den äußeren Umständen und der Gestalt des Textes ab. Bei „Temper“ waren es ungefähr zwei Monate.

Kann man ein Buch ganz unberührt übersetzen oder besteht während der Arbeit schon auch eine Verbindung zu den Charakteren im Buch?
Unberührt wäre furchtbar, Übersetzer sind ja keine Automaten. Natürlich muss man eine gewisse professionale Distanz wahren, doch ansonsten identifiziere ich mich beim Übersetzen durchaus mit den Charakteren, freue mich und leide mit ihnen. Als ein norwegischer Thrillerautor kürzlich meine Lieblingsfigur liquidiert hat, war ich am Boden zerstört.

„Temper“ spielt ja hauptsächlich im Theater. Haben Sie selbst Erfahrungen in diesem Bereich oder mussten Sie viel für die Übersetzung recherchieren?
Da mein Vater Schauspieler war, bin ich im Theatermilieu aufgewachsen und musste für die Übersetzung nicht viel recherchieren. Ich gehe immer noch regelmäßig ins Theater. Das ist so eine Art anerzogenes Bedürfnis.

Und wie ist es eigentlich aus der Perspektive einer Frau zu erzählen? Wie findet man dafür den richtigen Ton besonders im Zusammenhang mit dieser Art von Erzählung?
Ich glaube prinzipiell, dass Männer und Frauen genug Empathie besitzen, um aus der Perspektive des anderen Geschlechts zu schreiben. Bei „Temper“ wird ja ständig der Scheinwerfer gedreht und sowohl aus weiblicher als auch aus männlicher Perspektive erzählt, was die Sache so spannend macht.

Malcolm Mercer ist wahrscheinlich nicht der Typ Mensch, mit dem man auch privat gern ein Feierabendbier trinkt. Wie fanden Sie diese Figur? Und haben Sie selbst schon Erfahrungen mit dieser Art Mensch?
Malcolm Mercer ist so spannend, weil er vollkommen undurchdringlich und als Charakter kaum zu fassen ist. Jemand, der beruflich wie privat in Rollen schlüpft, hinter denen sein eigentliches Wesen verschwindet. Ich glaube, fast jeder von uns kennt solche Menschen, bei denen wir das Gefühl haben, nie an die unverfälschte Persönlichkeit heranzukommen. Da Mercer extrem charismatisch ist, würde ich übrigens sehr gern mal ein Feierabendbier mit ihm trinken.

Gibt es Szenen, die für einen Übersetzer selbst unangenehm sind? Und gab es diese auch bei „Temper“?
Die gibt es. Bei „Temper“ allerdings nicht. Was Gewalt gegen Kinder angeht, bin ich prinzipiell empfindlich, was wohl allen Eltern so geht.

Nach diesem Buch bin ich selbst tatsächlich mal wieder ins Theater gegangen. Gehen Sie auch gerne ins Theater? Und wenn ja, was mögen Sie daran besonders gerne?
Was für eine schöne Folge Ihrer Lektüre, das finde ich großartig! Das Tolle am Theater ist doch, dass hier alles live passiert, ungeschnitten, unbearbeitet. Diese Sinnlichkeit und Unmittelbarkeit fasziniert mich immer wieder. Außerdem bin ich jemand, der ins Theater geht, um gewisse Schauspieler auf der Bühne zu erleben und ihre Aura zu genießen.

Vielen Dank für Ihre Zeit!

Knut Krüger, geboren 1966, arbeitete nach seinem Germanistik-Studium im Buchhandel und Verlagswesen. Er ist heute freier Autor, Lektor und Übersetzer für englische und skandinavische Literatur. Knut Krüger lebt mit seiner Frau und seinen drei Kindern in München. Er hat selbst bereits mehrere Kinderbücher veröffentlicht, die im Programm von dtv erschienen sind.

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1 Kommentar

Lisa 26/11/2019 - 09:55

Hallo 🙂

Was für ein spannender Beitrag 🙂 Ich selbst möchte auch Übersetzerin (und Lektorin) werden und habe ebenfalls Germanistik studiert. Jetzt studiere ich Russistik im Zweitstudium (Nicht schwer zu erraten, was ich übersetzen möchte :D) und die Übersetzung wird da immer wieder thematisiert, weil es eben eine hohe Kunst ist, zu übersetzen OHNE das Original zu „verschleiern“. Der Übersetzer bringt ja doch immer wieder sich als Person mit ein. Daher finde ich, dass die Übersetzer auch viel zu selten „thematisiert“ und beachtet werden. In dem Sinne: Danke für das schöne Interview 🙂

Liebe Grüße
Lisa

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