Der November ist zugegebenermaßen nicht mein Lieblingsmonat. Ganz im Gegenteil. Oft empfinde ich ihn als schwer und düster. Dennoch steht er auch für eine Zeit des Übergangs. Ich stimme mich für den Jahresendspurt ein und halte inne. Besonders mit Blick auf die nahenden Rauhnächte tut es gut, sich jetzt schon bewusst zu machen, wie das Jahr gelaufen ist und welche Dinge nicht mit ins neue Jahr sollen. Was darf gehen und was darf bleiben?
Der November steht daher ganz bewusst für Nein sagen, Dinge loslassen, Klarheit bekommen und Ordnung schaffen. Welche Dinge tun dir nicht gut? Was ist dir mittlerweile zu viel geworden? Und wie kannst du dir Leichtigkeit zurückholen?
Was bedeutet Loslassen eigentlich wirklich?
Loslassen heißt übrigens auch nicht, dass du jetzt alles sofort über Bord werfen solltest. Du wirst auch ganz sicher nicht plötzlich ein neuer Mensch. Vielmehr steht es für:
- Dinge wahrzunehmen, die nicht mehr stimmig sind
- einen kleinen Abstand einzunehmen
- Schritt für Schritt innere oder äußere Lasten loszulassen
Manchmal sind es Routinen und Gewohnheiten, die mittlerweile eher Last sind. Vielleicht aber auch Gedanken, die sich still und heimlich eingeschlichen haben und dir überhaupt nicht mehr dienlich sind. Eventuell sind es aber auch Erwartungen und Verpflichtungen, die du nicht mehr erfüllen kannst oder willst oder andere Menschen, die dir nicht mehr gut tun.
Loslassen ist ein Prozess und gleichzeitig ein Akt der Selbstfürsorge.
Wie finde ich heraus, was ich loslassen möchte?
Mit dieser Frage habe ich mich lange beschäftigt. Obwohl sie auf den ersten Blick harmlos klingt, ist es mir gar nicht leicht gefallen, wirklich zu priorisieren, welche Punkte es bei mir sind. Es lohnt sich, sich bewusst Zeit zu nehmen, in sich hineinzuhören und die Fragen ehrlich zu beantworten.
1. Was kostet mich im Alltag plötzlich (oder schon lange) mehr Energie, als es mir gibt?
Hier ist beispielsweise gemeint: Gibt es Gewohnheiten, Beziehungen, To-dos, die sich seit Monaten schwer anfühlen und dir kein gutes Gefühl mehr geben?
2. Was fühlt sich wie ein „Ich muss“, aber eigentlich wie ein „Ich will nicht“ an?
Wo fühlst du ganz klar Widerstand? Was tust du aus alter Gewohnheit oder einem Verpflichtungsgefühl heraus?
3. Welche Gedanken tauchen immer wieder auf, obwohl sie mich klein halten?
Wie lauten meine Glaubenssätze? Habe ich Selbstzweifel oder alte Muster, die sich immer wieder zeigen?
4. Wenn ich mich in einem Jahr sehe: Was darf heute schon gehen, damit ich dorthin komme?
Wenn alles ganz ideal läuft, wie soll es in einem Jahr bei dir aussehen? Und was blockiert dich aktuell auf jeden Fall, um dieses Ziel zu erreichen?
5. Welche drei Dinge haben in den letzten Wochen am meisten Stress ausgelöst?
Hinter dieser Information versteckt sich fast immer ein Hinweis, was dich aktuell am meisten belastet.
Mini-Übung: Deine „Bleiben darf – Gehen darf“-ListeSchnapp dir ein Notizbuch und teile eine Seite in zwei Spalten. Linke Seite: Was darf bleiben? Schreibe jetzt ganz spontan alles hinein. Ganz ohne Bewertung, ohne Achtung auf Rechtschreibung o.ä. Es geht jetzt vielmehr darum wahrzunehmen, was sich zeigt und was kommt. Nach ein paar Minuten wirst du merken, dass dir die rechte Seite schon sehr viel verrät und sich vielleicht auch Dinge zeigen, die dir so spontan nicht eingefallen sind. Markiere jetzt einen einzigen Punkt, der dich am stärksten belastet. Und auch wirklich nur einen Punkt. Wichtig zu Wissen: Möglicherweise gibt es viele Dinge, von denen du dich gerne verabschieden würdest. Allerdings kann es schnell passieren, dass dich eine zu große Liste überfordert und du am Ende gar nichts erreichst. Sinnvoller ist es daher dich auf einen Punkt zu konzentrieren und diesen fokussiert anzugehen. Eben ganz nach dem Motto: „Ein Schritt nach dem anderen.“ |
Was sind erste Schritte, die ich sofort gehen kann?
Ich tappe immer wieder in die Falle, dass ich zu viel auf einmal will. Und besonders gerne auch direkt die großen Punkte zuerst. Das bringt aber häufiger Überforderung als Gewinn. Die kleinen Schritte wirken häufig am stärksten und nachhaltigsten und setzen automatisch eine Kettenreaktion in Gang. Fängt man einmal damit an, kann Schritt für Schritt mehr folgen. Will man direkt zu Beginn zu viel auf einmal, verlässt einen häufig die Motivation oder der Mut um am Ball zu bleiben.
1. Die Mini-Loslass-Aktion
Wähle einen Punkt aus deiner Liste und überlege dir:
Was wäre eine kleine Handlung, die ich heute tun kann?
Beispiele:
- eine alte Nachricht löschen
- einem Social-Media-Konto entfolgen, das dir nicht mehr gut tut (oder zumindest stumm schalten)
- einen Termin absagen, der dich eher belastet
- einen Gegenstand aussortieren, der dir kein gutes Gefühl mehr gibt
- eine Erwartung innerlich loslassen („Ich muss heute perfekt funktionieren“)
2. Ein kleines Loslass-Ritual
Stell dir vor, du gibst etwas ganz bewusst frei. Vielleicht indem du es aufschreibst und zusammenfaltest, möglicherweise verbrennst du die Nachricht sogar in einem Feuer. Atme tief ein und aus und sage dir innerlich (oder auch laut) folgendes:
„Ich darf das [oder Punkt/Person/Eigenschaft/usw. XY] gehen lassen.“
Hört sich sehr einfach an, ist aber so wirkungsvoll.
3. Ersetzen statt nur weglassen
Oft hinterlässt Loslassen eine Lücke.
Fülle sie bewusst mit etwas, das dir gut tut:
- ein kurzer Spaziergang
- mindestens zwei Seiten lesen
- eine Tasse Tee, gar nichts tun und einfach mal die Ruhe genießen
- ein kurzes Journaling über deinen Tag oder Wünsche und Ziele
- Meditation
- zwei Minuten Atemübungen am offenen Fenster oder draußen an der frischen Luft
Ein Ritual kann dich davor beschützen, dass du alte Muster schnell wieder einlädst und zurück in dein Leben lässt.
4. Grenzen setzen und üben, diese auch zu verteidigen
Sag in dieser Woche einmal bewusst Nein. Vielleicht sogar zu einer Sache, zu der du normalerweise Ja sagen würdest. Nimm für den Anfang etwas einfaches. Und trainiere damit Schritt für Schritt für größere Entscheidungen.
Worauf solltest du achten?
- Nicht zu viel auf einmal. Suche dir bewusst zuerst etwas einfaches aus und konzentriere dich darauf. Übertreibe es nicht, damit du auch am Ball bleibst.
- Mitgefühl statt Druck. Sei nicht böse mit dir, wenn du Rückfällig wirst oder die Vorsätze nicht immer einhalten kannst. Nimm einen kurzen Rückschlag hin und mach dann einfach weiter. Veränderung ist nicht linear. Nach jedem Rückschritt geht es auch wieder weiter nach vorne.
- Langsam statt radikal. Du musst nicht alles sofort entscheiden. Nimm dir die Zeit zu überlegen, wo du gerade stehst, was dein aktueller Ist-Zustand ist und wo du hin willst.
- Energiehaushalt beachten. Wie geht es dir gerade? Wenn du dich absolut erschöpft fühlst, dann ist vielleicht nicht der richtige Zeitpunkt um Loszulassen. Dieser Prozess benötigt Energie und Entscheidungskraft. Fange an, wenn du dich mental dazu in der Lage fühlst und überfordere dich nicht.
- Reflektieren. Schreib unbedingt auf, was sich verändert hat. Zu Beginn nimmt man kleine Änderungen oft nicht bewusst wahr. Es hilft enorm den Verlauf zu beobachten und motiviert zusätzlich.
Die Bücherliste zum Thema
Da ich als Büchermensch natürlich auch immer zur Lektüre greife, sammle ich hier ein paar Exemplare, die dir dabei helfen können und mir spontan in den Sinn kamen. Warum, erzähle ich dir jeweils kurz zusammengefasst hinter dem Buchtitel. Selbstverständlich sind diese Bücher aber nicht zwingend erforderlich. Loslegen kannst du auch ohne Bücher an deiner Seite. Bücher können dir ohnehin keine Motivation schenken. Die Entscheidung für Veränderung startet immer bei dir selbst.
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- Du darfst loslassen, was dir nicht guttut von Ichiro Kishimi (Rowohlt) – In dem Buch geht es darum schädliche Beziehungen und Verbindungen hinter sich zu lassen und den Mut zu haben, dass man nicht von allen gemocht werden muss sondern den Mut haben sollte Verbindungen mit Liebe und Verständnis aufzubauen.
- You Manifest You von Cloudy Zakrocki (Irisiana) – Ein wunderbares Buch, das die Kunst der Manifestation aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet und auch auf der wissenschaftlichen Ebene darauf schaut. Warum Manifestation kein Hokus Pokus ist, erklärt die Autorin eindrücklich in diesem Buch.
- Minimalismus – Der neue Leicht-Sinn von (GU Verlag) – Minimalismus in seiner extremen Form ist sicherlich nicht für alle gleichermaßen geeignet. Dennoch lohnt es sich, alle Perspektiven zu beleuchten. Loslassen hat oft auch etwas mit Dingen und Gegenständen zu tun. Dieses Buch kann hier vielleicht einen anderen Blickwinkel schenken.
- Loslassen und dranbleiben von Bärbel Wardetzki (Kösel Verlag) – Veränderung kostet Kraft und ist manchmal einfach nur anstrengend. Autorin Bärbel Wardetzki beleuchtet in ihrem Buch ganz wunderbar, wie man damit umgeht, warum diese auch positiv sind und was man für sich mitnehmen kann.
- Loslassen – Die Kunst, die vieles leichter macht von Irmtraud Tarr (Patmos Verlag) – Die Psychotherapeutin Tarr schreibt in diesem Buch über das Loslassen und liefert praktische Ideen und Antworten zu diesem Thema.
- Bis hierher und nicht weiter von Rolf Sellin (Kösel Verlag) – Wie schafft man es Grenzen zu setzen und gut für sich selbst zu sorgen? Diese Fragen beantwortet Rolf Sellin in seinem Buch und liefert gute Ansätze, die helfen, sich selbst wieder mehr in den Fokus zu rücken.
Vielleicht möchtest du dir folgende Frage in deinem Journal oder auch hier in den Kommentaren beantworten: Was ist eine Sache, die du in diesem November loslassen möchtest? Beschränke dich wirklich auf nur eine.







