Diese Texte hier schreibe ich ja in erster Linie immer für mich und in der Hoffnung, dass einige (viele) von euch ähnliche Probleme oder Gedanken haben und etwas davon für sich mitnehmen können. Wenn ich etwas wirklich gut kann, dann ist es nämlich prokrastinieren. Selbst wenn ich die Ausgaben für den Inspirations-Letter schreibe, passiert es mir immer wieder, dass ich plötzlich viele andere Aufgaben finde, die scheinbar noch wichtiger sind. Warum ist das so?
Isaac Newton erkannte bereits, dass das Anfangen viel mehr Energie kostet als das Weitermachen. Wenn man also nichts tut, dann ist es sehr leicht, einfach weiterhin nichts zu tun.
Es gibt verschiedene Ursachen für Blockaden, die uns verstärkt zum Prokrastinieren neigen lassen. Das ist einerseits Unsicherheit. Wir wissen nicht, wie wir beginnen sollen und tun es dann einfach gar nicht. Und andererseits Angst, die uns ebenfalls nicht beginnen lässt. Es gibt jedoch noch eine weitere Ursache, die nicht zu verachten ist: Trägheit.
Wie können wir Energieblockaden lösen?
Als ich letzte Woche beim Wandern war, kam mir wieder ein Gedanke in den Sinn, den ich beim Wandern immer wieder habe. Wenn man ganz unten beginnt, dann kommt mir jeder Berg immer unendlich hoch und unschaffbar vor. Der Weg nach oben ist oft anstrengend, kräftezehrend und nicht immer schön. Doch für die Belohnung am Ende gehe ich die Schritte trotzdem, weil ich weiß, dass ich unglaublich happy bin, wenn ich oben ankomme, die Aussicht großartig sein wird und ich mich danach so richtig gut fühlen werde.
Das ist wahrscheinlich auf viele Aufgaben übertragbar. Die Steuererklärung, die zu lange aufgeschoben wird, der Artikel, den man nie schreibt, das wichtige Projekt im Job, mit dem man nie beginnt. Wie kann man es also schaffen, diese erste Hürde zu nehmen und den Berg hinaufwandern?
In seinem Buch “Feel Good Productivity“ – Produktiv sein ohne Stress – und mehr vom Leben haben” schreibt Ali Abdaal (Ü: Annika Tschöpe) (dtv Verlag) unter anderem genau darüber.
Aufwand reduzieren
Die niederländische Forscherin Marlijn Huitink hat eine Studie über die Psychologie des Gemüseeinkaufs durchgeführt. Auftrag war, eine kostengünstige Möglichkeit zu finden, welche die öffentliche Gesundheit verbessert.
Im ersten Schritt wurde also erforscht, wie unsere Umwelt unsere Einkaufsentscheidungen beeinflusst. An einigen Wochentagen legte das Forscherteam grüne Kartonage in die Einkaufswägen einer Supermarktkette. Darauf zu lesen war u.a. “Die meisten Kunden nehmen mindestens sieben Gemüsesorten” oder “Die drei beliebtesten Gemüsesorten in diesem Supermarkt sind Gurke, Avocado und Paprika”.
Man wollte damit feststellen, ob diese subtile Art der “Beeinflussung” wirklich einen Effekt hat und das Kaufverhalten der Kunden verändern würde. Und es hatte wirklich Erfolg. An den Tagen, an denen diese grünen Einlagen in den Wägen zu finden waren, wurde durchschnittlich 50 Prozent mehr Gemüse gekauft.
Der Schluss der Studie: “Diese Veränderungen reduzieren die Menge an Energie, die nötig ist, um etwas zu tun. Sie verringern den Aufwand, der zwischen uns und dem Ziel steht, das wir anstreben. Wenn du ständig daran erinnert wirst Gemüse zu kaufen, kostet es viel weniger Energie, das wirklich zu tun. Und wenn du erfährst, welches Gemüse in deiner Gegend besonders beliebt ist, brauchst du viel weniger Energie, um dich zu entscheiden.”
Umweltbedingten Aufwand reduzieren
Abdaal schreibt in seinem Buch: “Aufwand, der uns ausbremst, kann zunächst durch unser Umfeld entstehen.”
Wenn du jeden Tag morgens mit Yoga in den Tag starten möchtest, dann kann es durchaus sein, dass du Dinge sagst wie “Ich würde gerne mit Yoga in den Tag starten” und es dann doch nicht tust. Die Lösung könnte sein, dass du die Yogamatte mitten im Wohnzimmer bereits ausgebreitet platzierst und deine Sportklamotten bereitlegst, damit du diese morgens sofort griffbereit hast. Das Ziel ist: den Aufwand reduzieren, damit es leichter wird, einen Anfang zu finden.
Verändere deine Umgebung so, dass das, was du in Angriff nehmen willst, die naheliegendste Standardentscheidung wird. Und im Gegenzug das, was du nicht tun willst, die schwierigere Entscheidung.
- Regelmäßig mit Yoga in den Tag starten: Wenn du die Matte ihm Wohnzimmer bereits bereit legst und deine Kleidung so platzierst, dass du sie nach dem Aufstehen griffbereit hast, dann ist es naheliegend, dass du ohne große Überlegung mit Yoga in den Tag startest.
- Weniger Zeit am Handy: Wenn du alle Push-Nachrichten auf deinem Handy ausstellst, dann kann es dabei helfen, dass du weniger zum Handy greifst und auf sämtliche eintreffenden Nachrichten direkt reagieren möchtest. Deine Standardentscheidung ist also weniger zum Handy zu greifen.
Emotionalen Aufwand reduzieren
Es kann aber selbstverständlich nicht nur am Umfeld liegen, wenn man mit einer Aufgabe nicht beginnen möchte, sondern auch an der Stimmung. Man hat schlicht keine Lust anzufangen.
Keine Lust morgens etwas früher aufzustehen und Yoga zu machen, keine Lust das Handy weniger in die Hand zu nehmen, keine Lust auf die Steuererklärung, keine Lust irgendeinen Text zu verfassen. Die Lust drauf – oder im Buch als Bock beschrieben – ist tatsächlich die häufigste und größte Hürde. Sie lässt sich jedoch leicht überwinden mit der Fünf-Minuten-Regel.
Die 5-Minuten-Regel
Diese Regel ist äußerst wirkungsvoll und besagt, dass man sich vornimmt fünf Minuten an einer Aufgabe zu arbeiten. Dahinter steckt der Gedanke, dass der erste Schritt der schwierigste ist. In den fünf Minuten bist du voll auf deine Aufgabe fokussiert und kannst danach entscheiden, ob du wirklich wieder aufhörst oder einfach weitermachst.
Die Regel ist aber auch deshalb so effektiv, weil die Hürde äußerst gering ist. Fünf Minuten sind schnell vorbei und es ist deutlich weniger abschreckend, wenn du dir vornimmst zum Beispiel nur fünf Minuten in deine Yoga-Praxis zu investieren. Sehr wahrscheinlich bist du dann aber gleich im Flow und hast wirklich Freude dabei, so dass du weitermachst. Und falls nicht, dann ist das auch okay.
Solltest du aber wirklich keine Motivation, Kraft, Fokus für deine Aufgabe haben, dann ist es wichtig, dass du nach fünf Minuten zum Ende kommst. Die Regel bringt nichts, wenn du dich doch zwingst am Ball zu bleiben und dich verpflichtet fühlst, die begonnene Aufgabe zu beenden.
Credits: Annie Spratt via Unsplash.com
Aktiv werden
Um wirklich aktiv zu werden, brauchen wir klare und konkrete Maßnahmen, wie wir wirklich befolgen können. Ferne und abstrakte Ziele helfen uns nicht dabei bzw. führen uns vielleicht sogar eher dazu, dass wir am Ende gar nichts tun.
Den nächsten Handlungsschritt festlegen
Tim Pychyl hat sich mit dem Thema Prokrastination so intensiv befasst, wie wahrscheinlich niemand sonst. Seine Procrastination Research Group an der Carleton University in Kanada ist einflussreiche Quelle wissenschaftlicher Erkenntnisse zu diesem Thema.
Welchen Ratschlag gibt Pychyl also Menschen, die ihre Dinge gerne aufschieben?
Immer wenn er bemerkt, dass er etwas aufschiebt, stellt er sich folgende Frage: “Was ist der nächste Handlungsschritt?”
Am Beispiel von der Yoga-Praxis könnte das sein, dass du die Yoga-Matte (wenn du sie nicht sowieso schon ausgerollt hast) ausrollst und dich darauf stellst. Mehr nicht.
Das klingt ziemlich einfach, aber zugleich auch sehr schlau. Wenn du schon mal auf der Matte stehst, dann kannst du dich sicher zu ein paar Übungen aufraffen. Pychyl beschreibt es so, dass dies ein Weg ist die “abstrakte Handlungstendenz” in einen konkreten nächsten Schritt zu verwandeln.
An Beispielen:
- Wenn du die Steuererklärung aufschiebst, wäre der nächste Schritt deinen Rechner hochzufahren und das Steuerprogramm zu öffnen.
- Wenn du das Training aufschiebst, wäre der nächste Schritt deine Sportkleidung anzuziehen.
- Wenn du die Arbeit an deinem Text aufschiebst, wäre der nächste Schritt den Rechner hochzufahren und das Dokument zu öffnen.
Das dient auch dazu, dass du nicht direkt an das “abschreckende” Endziel denkst, sondern dich auf ein kleines Zwischenziel fokussierst. Das ist weniger abschreckend und beruhigt zugleich dein Nervensystem.
Den Fortschritt nachverfolgen
Ein Forschungsteam führte im Jahr 2016 anhand von 138 Studien mit fast 20000 Personen eine Meta-Analyse durch und fand heraus, dass die Chancen, ein Ziel tatsächlich zu erreichen, drastisch steigen, wenn man den Fortschritt nachverfolgt. Das kann auf ganz unterschiedliche Weise erfolgen. Etwa durch Prozessziele oder tatsächliche in Zahlen messbare Zwischenergebnisse.
Das hilft dir deshalb, weil du durch die Kontrolle erkennst, ob du möglicherweise allgemein oder in bestimmten Bereichen nachlässt oder du Anpassungen vornehmen musst, um dein Ziel wirklich zu erreichen. Du erkennst damit aber auch leichter Muster oder Hindernisse, die dich eventuell behindern und deinen Fortschritt torpedieren. Außerdem fällt es dir leichter am Ball zu bleiben und bestärkt dich, wenn du erkennst, dass sich deine Arbeit und Mühe lohnt.
Beispiele:
- Führe ein Lern- oder Trainingstagebuch und trage ein, welche Übungen du heute durchgeführt und wie du dich dabei gefühlt hast. Vielleicht kannst du dann erkennen, wie sich Ausdauer und Kraft oder Lernerfolg über die Zeit verbessert hat.
- Tracke neue Gewohnheiten in einer App und führe dir vor Augen, wie konsequent du am Ball bleibst.
Unterstütze dich selbst
Vielleicht hast du auch schon mal die Erfahrung gemacht, dass du hochmotiviert ein neues Projekt startest, mit Freude und Elan dabei bist und sich dann irgendwann zu einem späteren Zeitpunkt Trägheit einstellt und du anfängst zu prokrastinieren?
Laut Adaal ist die Lösung, dich selbst zu unterstützen. Es geht darum, Wege zu finden, wie du dir selbst Auftrieb geben kannst, während du auf deine Ziele hinarbeitest. Und wie du dich währenddessen selbst zur Rechenschaft ziehen kannst.
Rechenschaftspartner
Allein fällt der Anfang unendlich viel schwerer als gemeinsam mit anderen. Wenn wir Menschen finden, die uns zur Verantwortung ziehen, ist es viel wahrscheinlicher, dass wir unsere Trägheit überwinden.
Andere Menschen geben uns Energie und verstärken zudem unsere Wohlfühlemotionen und bewirken damit, dass wir loslegen wollen. Das Leben ist eben immer schöner, wenn wir mit Freunden zusammen sind.
Da der Mensch aber eben auch ein soziales Wesen ist, sind wir häufig darauf bedacht, andere nicht zu enttäuschen. Einen Trainingstermin, den du nur mit dir selbst vereinbarst, lässt du vielleicht leichter ausfallen, als den Sportkurs, den du mit deiner Freundin gebucht hast.
Im Idealfall vereinbarst du mit dieser einen Person feste Termine oder Zeitpunkte, in denen sie dich zur Rechenschaft zieht. Das kann bedeuten, dass ihr feste Termine für Sport vereinbart oder aber auch, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt nachgefragt wird, wie weit du bereits mit deinem geplanten Text bist.
Es fällt dadurch wesentlich einfacher die eigene Trägheit zu überwinden, da du dich sozial verpflichtet fühlst und die andere Person nicht enttäuschen möchtest.
Tipps für so eine Rechenschaftspartnerschaft:
- Such dir einen Buddy. Im Idealfall eine Person, die das selbe Ziel verfolgt. Jemand, der die selben Ziele verfolgt ist ggf. mit den selben Problemen konfrontiert und kann nachvollziehen, wie es dir geht und du dich fühlst.
- Wenn diese Person gefunden ist, dann vereinbart unbedingt, welche Kultur ihr pflegen möchtet. Also wie viel Kontakt soll erfolgen? Wie häufig wollt ihr euch austauschen? Fünf Kriterien sind dabei sehr hilfreich: Die Person ist diszipliniert und hält eure Vereinbarungen ein, die Person ist anspruchsvoll und weiß, was es heißt, dir auf die nächste Stufe zu helfen. Die Person ist außerdem geduldig und zieht keine voreiligen Schlüsse oder drängt zu irgendwelchen Entscheidungen, sie ist außerdem unterstützend und hat immer mutmachende Worte auf Lager und letztlich ist sie auch konstruktiv und gibt ehrliches Feedback und konstruktive und wertschätzende Kritik, damit du dich wirklich verbessern kannst.
- Legt einen konkreten Ablauf fest. Wie werdet ihr euch zur Rechenschaft ziehen? Trefft ihr euch persönlich? Tauscht ihr euch in einer Chatgruppe aus? Wie ihr das tut, ist letztlich zweitrangig. Viel wichtiger ist, dass ihr es konsequent tut und vereinbarte Termine einhaltet.
Sich selbst verzeihen
Trägheit kann uns schnell auf Abwege führen. Wenn wir es nicht schaffen bei unserem Vorhaben am Ball zu bleiben, dann neigen wir schnell dazu uns dafür selbst fertigzumachen. Letztlich macht es das aber sogar noch schlimmer. Die Trägheit führt häufig zu einer Art Selbsthass und dieser wiederum senkt die Wahrscheinlichkeit, dass wir etwas Fruchtbares zustande bringen.
Der Autor nennt in seinem Buch seine Lieblingsmethode namens “Entdecke den Vorteil”. Diese Übung soll das Positive betonen, auch wenn es vermeintlich noch so klein ist und sie funktioniert nach dem Prinzip “Ich habe zwar X nicht gemacht, aber dafür Y.”
- Ich habe heute morgen zwar meine Yogaeinheit nicht gemacht, aber dafür habe ich eine Stunde länger geschlafen und bin besser ausgeruht, als sonst.
- Ich habe meinen Text heute nicht vollendet, aber stattdessen Zeit mit meiner Oma verbracht und das hat meinen Tag bereichert.
- Ich habe mein Projekt nicht fertigstellt, aber das hatte einen Grund. Ich habe in der Kaffeeküche einen Kollegen getroffen und mich nett unterhalten und ausgetauscht.
“Manchmal können wir die Prokrastination nicht kontrollieren. Aber wir können beeinflussen, ob wir uns selbst vergeben. Du kannst dich auf die kleinen Verluste konzentrieren. Oder du feierst die kleinen Siege.”
Eine empfehlenswerte Podcastfolge zum Thema findest du übrigens hier:
Zusätzlich zum oben erwähnten Buch passt zum Thema Prokrastination auch:
- “Eat that Frog” von Brian Tracy (Ü: Nikolas Bertheau) (Gabal Verlag)
- „Aufschieben war gestern!” von Monique Bogdahn (GU Verlag)
- “Heute fange ich an” von Alissa Levy (Knesebeck Verlag)
Ich wünsche dir Motivation und gute Ziele
Vielleicht findest du auch Aufgaben, die du gerne auf die lange Bank schiebst und immer wieder ins Prokrastinieren kommst? Ich würde mich freuen, wenn du ein paar Tipps für dich mitnehmen kannst, die du einfach mal austestet. Gibt es etwas, was du gerne machen würdest und immer wieder aufschiebst? Ein Instrument lernen, regelmäßig Sport machen, endlich die Steuer erledigen? Teile deine Pläne gerne mit mir. Vielleicht können wir uns ja auch gegenseitig motivieren oder eine Rechenschaftspartnerschaft eingehen. 😉
Ich wünsche dir einen guten Start in die neue Woche, viele schöne Momente und Sonne.
Alles Liebe,
Petra