[Themenwoche Leichtigkeit]: Der Moment ist alles, was wir haben.

von Petzi

Ich las letzte Woche ein Buch, in dem ich diesen Satz dick und fett unterstrichen habe: “Der Moment ist alles, was wir haben”.

Er bewegte etwas in mir und regte mich sehr zum Nachdenken an. Wir durchleben alle wunderbare und schöne Momente, manchmal jedoch auch das Gegenteil. Dann fühlen wir uns gestresst, wütend, sind müde und irgendwie läuft es nicht so richtig.

Du machst dir einen Kaffee und während dieser in die Tasse fließt, bist du gedanklich schon bei der Präsentation, die du gleich halten muss. Die Wäsche muss auch dringend noch angestellt werden und du darfst nicht vergessen die Rechnung zu bezahlen, die schon seit Tagen in der Ablage liegt. Kommt dir das Gedankenszenario bekannt vor?

Wann warst du zuletzt im Moment? Wann hast du einfach nur dem Kaffee zugeschaut wie er in die Tasse fließt, wie der Duft frisch gemahlener Kaffeebohnen in der Luft aufsteigt und dich dazu einlädt, einen kleinen Moment inne zu halten?

Im Buch “Finde den Tempel in dir” von Antonia Kemkes (GU Verlag) geht es eben genau darum. Wie schaffen wir es unseren inneren Ort der Ruhe und Kraft zu finden? Wie schaffen wir es, diesen Raum dann zu betreten, wenn wir ihn dringend brauchen?

“Immer ist die wichtigste Stunde die gegenwärtige, immer ist der wichtigste Mensch der, der dir gerade gegenübersteht, immer ist die wichtigste Tat die Liebe.” – Meister Eckhart

Den Raum zwischen Reiz und Reaktion geöffnet halten

Die Autorin beschreibt den “inneren Tempel” als Ort in uns, in dem wir klar erkennen können, welche Dinge wir nicht ändern und deshalb hinnehmen müssen und welche Dinge wir ändern können, wenn wir uns innerlich ausrichten und mutig den Weg gehen.

Leider ist dieser Ort jedoch gar nicht so leicht zu finden, insbesondere dann, wenn die Zeiten herausfordernd sind und es so scheint, als stürzt alles über uns herein. Wir fühlen uns ausgeliefert, gestresst und von den Ereignissen überrollt. Vielleicht haben wir auch das Gefühl, dass uns das Ruder aus der Hand genommen wurde und fühlen uns fremdbestimmt.

Wir bräuchten einen Stopp-Knopf, um Abstand zu der Situation zu gewinnen und uns wieder ganz auf uns selbst zu besinnen. Dieser Stopp-Knopf kann Achtsamkeit sein.

Die Autorin schreibt: “Sie [die Achtsamkeit] überreicht uns feierlich den Schlüssel zu unserem inneren Tempel. Die Tür, die sonst viel zu schnell krachend ins Schloss fällt und uns hilflos zurücklässt, bleibt einen Spaltbreit offen. Je mehr wir die Achtsamkeit etabliert haben, umso weiter und länger können wir diese Tür geöffnet halten. Und dann können wir in unseren inneren Tempel, in den Raum, in dem wir fähig sind, klar zu sehen und unsere Entscheidungen zu treffen, wie wir uns zu den gegebenen Umständen einstellen wollen, ob sie nun veränderbar sind oder nicht.”

Doch was bedeutete es den Raum zwischen Reiz und Reaktion zu finden? Wir durchbrechen den Automatismus, der immer dann einsetzt, wenn wir uns gestresst fühlen. Unsere Reaktion auf äußere Reize läuft fast vollständig automatisch ab. Wir nehmen eine Situation wahr und bewerten diese aufgrund unserer bisherigen Erfahrungen. Nun entstehen Gefühle und eben diese sind es, die uns so reagieren lassen, wie wir es letztlich tun.

Dieser Reiz-Reaktions-Mechanismus läuft in wenigen Sekunden ab und uns selbst ist gar nicht bewusst, wie wir reagieren. Es ist – wie eben schon erwähnt – ein Automatismus. Dieser hat sich zwischen Reiz und Reaktion breitgemacht und wurde über viele Jahre trainiert. Die gute Nachricht ist aber: Wir können ihn neu konditionieren und verändern.

Vielleicht hilft dir ein Beispiel, das ich selbst sehr gut kenne: Ein wichtiger Termin im Job steht an, für den noch eine Präsentation vorbereitet werden muss. Zugleich gehen mehrere dringende Mails ein, die sofort beantwortet werden müssen und dann kommt auch noch eine Kollegin ins Büro (oder ruft an), mit der wir dringend ein klärendes Gespräch führen müssen. Das Gespräch wird hitziger, es werden kritische Punkte angesprochen und folgendes passiert: Das Herz schlägt schneller, wir schwitzen, Wut steigt auf, alles ist gerade zu viel und konfliktbefeuernde Worte liegen uns schon auf der Zunge.

Doch wenn wir das Schema verinnerlicht haben, dann gelingt es nun, einen Fuß in die Tür zu bekommen. Damit können wir die ganze Situation entscheidend verändern und ganz bewusst in eine gute Richtung lenken.

Wir können einen Moment innehalten und innerlich Abstand von der Situation nehmen. Das gibt uns die Möglichkeit unsere Reaktion bewusst zu wählen. Diese Fähigkeit hilft uns dabei, der Situation entspannter gegenüberzutreten, unser Puls verlangsamt sich, wir finden wieder in unsere Mitte und handeln damit im Einklang mit uns und unseren Werten.

Wir danken der Kollegin für die Klärungsbereitschaft, bitten sie ruhig, das Gespräch um ein paar Stunden zu verschieben, und widmen uns zuerst konzentriert der Präsentation.

Die Satva-Übung hilft in Stressmomenten die Tür zu öffnen

Satva ist übrigens ein Wort aus dem Sanskrit und bedeutet “Klarheit”. Die Anfangsbuchstaben helfen dabei, die fünf Schritte zu verinnerlichen:

  • S = Stopp: Innehalten und gedanklich einen Schritt zurücktreten. Versuche, die Situation mit Abstand zu betrachten.
  • A = Atmung: Verbinde dich jetzt bewusst mit deiner Atmung und lasse die Atemzüge länger und feiner werden.
  • T = Tempel: Am Ende der langen Ausatmung tauchst du kurz in deine Mitte – deinen Tempel – ein.
  • V = Verbindung: Komme jetzt zurück in die Situation und verbinde dich mit den involvierten Personen und deiner Umgebung.
  • A = Agieren: Was möchtest du jetzt tun? Was ist hilfreich für dich selbst und für die Situation? Handle bewusst.

“Kein Weg fällt dem Menschen schwerer zu gehen als den, der ihn zu sich selbst führt.” – Hermann Hesse

Fotocredits: Daria Kraplak via Unsplash.com

Vier Grundhaltungen für mehr Achtsamkeit

Die erste Haltung: Akzeptanz

Laut Buddha sind Menschen aus zwei Gründen unglücklich: weil sie etwas haben möchten, das sie gerade nicht bekommen können, oder weil sie das ablehnen, was sie haben.

Wir neigen dazu Berge an materiellen Dingen anzuhäufen, die wir letztlich nicht brauchen, nur um uns am Ende genauso leer zu fühlen wie vorher. Wir jagen Dinge, die wir nicht haben, weil wir denken, dass es uns glücklich macht, wenn wir sie besitzen. Etwas, was in unserer konsumorientierten Gesellschaft sehr verbreitet ist. Demokrit sagte:

“Das Glück wohnt nicht im Besitz, das Glücksgefühl ist in der Seele zu Hause.”

Es führt uns in eine neue Qualität der Wahrnehmung, wenn wir die Dinge so annehmen, wie sie sind und akzeptieren, was gerade ist. Selbstverständlich kann man hier jedoch auch unterscheiden zwischen Situationen, die wir nicht ändern können und denen, die wir aktiv gestalten und beeinflussen können.

Die zweite Haltung: Nicht bewerten

Die Autorin schreibt: “Wir haben die Tendenz, uns permanent mit anderen Menschen zu vergleichen. Unser Geist ist damit beschäftigt, andere zu begutachten, sie zu kritisieren oder zu bewundern. Dies führt dazu, dass wir entweder immer unsicherer und unzufriedener werden oder arrogant und überheblich auf andere reagieren.”

Eine Übung: Wenn du das nächste Mal mit einer Person sprichst, mit der du generell Schwierigkeiten hast, dann versuche dieser wert- und vorurteilsfrei zu begegnen. Beziehe nichts was sie sagt bzw. du hörst auf dich. Bewerte nichts, nimm nichts persönlich. Die Unfreundlichkeit einer anderen Person kann viele Ursachen haben. Wenn du anfängst nicht zu bewerten, nimmt das Gespräch einen anderen Verlauf und vielleicht sogar eine ungeahnte Wendung.

Die dritte Haltung: Absichtslosigkeit

In der Regel steht hinter allem was wir tun eine bestimmte Absicht. Wir treiben Sport, weil wir eine bessere Figur haben möchten oder uns gut fühlen wollen. Wir kleiden uns, wie wir uns kleiden, um schön auszusehen. Wir schlagen eine bestimmte Richtung ein, um irgendwo anzukommen.

Was bewirkt das? “Dies führt dazu, dass wir uns gedanklich stets mehr in der Zukunft aufhalten, als einfach in der Gegenwart zu verweilen.”

Wenn wir endlich genug Sport getrieben haben, dann werden wir schlank und damit glücklich sein. Wenn wir in das neue Kleid passen, werden wir uns richtig gut fühlen. Wenn wir nur erstmal auf der Karriereleiter aufgestiegen sind, dann sind wir richtig erfolgreich und sorglos. Was bewirken diese Gedanken?

“Wir betrügen uns immer wieder aufs Neue um den Moment, der jetzt gerade da ist und erlebt werden will.”

Die vierte Haltung: Geduld

Neue Gewohnheiten zu etablieren ist nicht einfach. Mag es im ruhigen Urlaubsmodus noch einigermaßen gelingen, liegen die Pläne schnell wieder auf Eis, wenn erst der hektische Alltag zurückkehrt.

In manchen Momenten wird es nicht leicht sein, die Gedanken zur Ruhe zu bringen. Wir ertappen uns dabei in Tagträumen zu verfallen oder Zukunftspläne zu schmieden, statt im Moment zu verweilen und achtsam zu sein.

Doch ein erster Schritt ist es schon, wenn du bemerkst, dass du dich gerade wieder von deinem inneren Ort entfernst. Verurteile dich nicht dafür, wenn du es nicht schaffst, sondern sei stolz auf dich, wenn du es bemerkst und es wieder versuchst.

Mit Meditation dem Atem in die Stille folgen

Die Autorin schreibt: “Mithilfe einer regelmäßigen Meditationspraxis kann das Leben wieder Sinn und Ausrichtung bekommen. In der Meditation können wir uns zentrieren, uns selbst wieder einholen, Gedanken und Bewertungen loslassen, um unser Tun dann mit wachem Bewusstsein und Ruhe in eine bestimmte Richtung klar auszurichten.”

Meditation muss niemals stundenlang erfolgen und funktioniert nicht nur im Sitzen. Ein ruhiger Spaziergang im Wald kann ebenso meditativ wirken.

Meditation kann dabei helfen zu erkennen, dass du nicht bist, was du denkst. Wenn du dich nicht mit deinen Gedanken identifizierst, die dein Geist spinnt, dann kommst du in Kontakt mit deinem richtigen Bewusstsein.

“Dein Bewusstsein ist wie der Grund eines tiefen, klaren Bergsees. Alles ist still und ruhig, von einer tiefgründigen Reinheit, absolut klar und friedlich. Der Grund des Bergsees bleibt immer gleich. Deine Gedanken sind die Wolken, die vorüberziehen und sich in der Oberfläche des Sees spiegeln. Sie verdunkeln für einen Moment das Wasser, dann ziehen sie weiter und geben die Sonne wieder frei, die den See in hellem Türkis erstrahlen lässt. Verändert sich der See, nur weil eine Wolke vorüberzieht? So wie der See nicht die Regenwolke ist, die ihn vorübergehend verdunkelt, bist du nicht deine Gedanken. Sie kommen und gehen, wenn du sie das sein lässt, was sie sind, und dir der Essenz deines Daseins bewusst bist.”

An dieser Stelle muss ich unbedingt nochmal eines meines Lieblingsbücher zum Thema erwähnen. Aus “Innehalten“ von Fleur Sakura Wöss (btb) habe ich so viel mitgenommen, was auch dieses Thema perfekt ergänzt.

Sie schreibt beispielsweise darüber, dass wir insbesondere in der Natur die Yin und Yang Kräfte bestaunen können. An einem Baum wachsen Früchte, bis diese reif sind und abfallen. Die Natur zeigt uns eindrücklich, dass es immer eine Zeit des Aufbauens gibt und danach eine Zeit des Rückzugs. Das Eine bedingt das Andere und umgekehrt. Wer nur im Yang lebt, wird irgendwann ausbrennen. Wir können nicht nur höher und weiter und schneller laufen, mehr schaffen, mehr erreichen und mehr Geld verdienen. Wir brauchen auch die Zeiten der Pause und Erholung, Zeiten von Stille und Rückzug, um wieder bei uns anzukommen. Ohne Rhythmus gibt es kein Leben. Achtsamkeit kann uns dabei helfen, uns dessen wieder bewusst zu werden.

Achtsamkeit kann helfen, genau wahrzunehmen was wir gerade brauchen, in unseren inneren Ort einzukehren und damit wieder ganz in unsere Kraft zu kommen.

“Wir können vieles nicht ändern, aber wir können wählen, wie wir darauf reagieren.”

Ich wünsche dir einen achtsamen Tag

Ich freue mich sehr, wenn ich dir heute ein paar gute Gedanken und Anregungen mit auf den Weg geben konnte. Vielleicht probierst du es direkt aus? Verweile ganz im Moment bei den Dingen, die du heute tust. Beobachte deine Gedanken und Gefühle, achte auf deine Atmung und ergründe den Trampelpfad auf dem Weg zu deinem inneren Ort. Vielleicht kann man den Weg schon ganz gut erkennen, vielleicht musst du ihn aber zuerst einmal von Gestrüpp und Unkraut befreien. So oder so, es lohnt sich bestimmt.

Was ebenfalls gleich bleibt: Ich freue mich über Nachrichten auf Instagram oder direkt auf diese Mail, auf deine Gedanken und deine Meinung zum Thema.

Hab einen wunderbaren Sonntag mit viel Sonne und Zeit für ein wenig Muße.

Deine Petra

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