[Themenwoche Selbstfürsorge]: Wie man sich selbst Grenzen setzt und aus der Grübelfalle aussteigt

von Petzi

Letzte Woche habe ich spontan über Selbstfürsorge geschrieben und weil das Thema so viel Potenzial hat, es so viel zu erzählen gibt und so viele Aspekte wichtig sind, habe ich mich kurzerhand dazu entschlossen eine kleine Themenwoche zu starten. Es werden insgesamt fünf Beiträge erscheinen, wobei ich mich ganz bewusst dazu entschieden habe, dass diese nicht fünf Tage in Folge online gehen. So bleibt genug Zeit, sich in Ruhe damit zu befassen und auseinanderzusetzen.

Was ist eigentlich Selbstfürsorge?

Jede von uns wird auf andere Art auf diese Frage antworten und in Wahrheit gibt es ganz unterschiedliche Bedeutungen dafür. Es könnte mitunter bedeuten, dass wir uns selbst wertschätzen und lieben, uns Selbstmitgefühl schenken, auf unsere Wünsche und Bedürfnisse achten, Pausen einlegen, wenn es notwendig ist und mit uns im Reinen sind. Es könnte auch heißen, dass wir für unsere Gesundheit sorgen, uns um unseren Körper kümmern, Achtsamkeit leben, regelmäßig entspannen und mitunter Grenzen setzen.

Selbstfürsorge bedeutet aber ganz sicher nicht, dass wir egoistisch handeln oder irgendeiner spirituellen Praxis folgen.

Ich habe ein Buch im Regal, das ich als meine persönliche Bibel in diesem Bereich bezeichne. Mittlerweile habe ich es auch schon zigfach in diesen Mails erwähnt. Falls du es sogar schon selbst im Regal hast, kannst du darin auf Seite 21 ein wunderbares Bild findet. Es handelt sich um “Das Prinzip Selbstfürsorge” von Dr. med. Tatjana Reichhart (Kösel Verlag).

Abgebildet ist ein Fass, ein Stück weit mit Flüssigkeit gefüllt und verschiedenen Beschreibungen. Die Autorin schreibt darin sinnbildlich, dass Selbstfürsorge eine wesentliche Komponente dabei ist, unsere psychische und physische Gesundheit zu erhalten. Dabei ist aber natürlich klar, dass wir unsere Vergangenheit und unsere genetische Veranlagung nicht beeinflussen können. Wir müssen uns auf das konzentrieren, was bereits da ist.

Wenn du dir also vorstellst, dass du ein Fass bist, dann bist du bereits mit einem bestimmten Füllstand und einem bestimmten Fassungsvermögen (genetische Veranlagung) auf die Welt gekommen. Unterschiedlichste Stressoren wirken nun tagtäglich auf uns ein. Sei es in steten Tropfen oder teilweise auch Eimerweise. Wenn diese Stressoren aber zu mächtig werden und wir es nicht mehr schaffen etwas dagegen zu halten, dann beginnt das Fass überzulaufen. Wir werden psychisch und/oder physisch krank.

Wenn wir es jedoch schaffen, regelmäßig auch wieder Wasser aus dem Fass auszuschöpfen, Belastungen also wieder loswerden oder es sogar hinbekommen, manchen Stressoren gar nicht erst den Zugang zum Fass zu gewähren, schaffen wir einen nötigen Puffer, der unser Fass vor dem Überlaufen schützt. Gute Selbstfürsorge kann uns also dabei helfen, dass wir lernen Stressoren aktiv abzuwehren (wir lernen uns abzugrenzen, wir lassen Stress an uns abprallen), dass wir Reservekapazitäten haben (Stressoren immer wieder loswerden) und dass unser Überlaufschutz sehr gut ausgebaut wird (das Fassungsvermögen für Belastungen vergrößert sich).

“Selbstfürsorge ist nicht die Kür, sondern die Pflicht, wenn es um unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden geht.” – Dr. med. Tatjana Reichhart

Tipp: Am Dienstag, den 20.02. 19 Uhr spricht Autorin Dr. med. Tatjana Reichhart online mit Sonia Gembus über Stress und die Frage, wie man diesen reduzieren und die Lebensfreude wiederfinden kann. Die Veranstaltung ist übrigens kostenlos und hier kann man sich anmelden .

Shashi Chaturvedula via Unsplash.com

Uns selbst Grenzen setzen

Wir lesen häufig gute Tipps und Tricks dazu, wie wir anderen gegenüber Nein sagen lernen und Grenzen aufzeigen. Das ist wichtig und richtig, dabei vergessen wir jedoch, dass wir auch lernen sollten uns gegenüber uns selbst abzugrenzen. Wir sagen wir Nein zu Gedanken und Sorgen, die uns häufig kurz vor dem Einschlafen belasten und uns herunterziehen? Wie stoppen wir das Grübeln? Wie schaffen wir es uns nicht mehr in negativen Zukunftsszenarien zu verlieren?

Die Autorin schreibt in ihrem Buch: “Sie brauchen keine langen Pausen, es muss nicht immer der Feierabend, das Wochenende oder der Urlaub sein. Viel wichtiger ist es, dass Sie tagsüber Ihrem Körper und Gehirn zwischendurch Pausen gönnen, um den Adrenalinspiegel zu senken und in die Entspannung zu kommen. Da die Stresshormone relativ schnell abgebaut werden, reichen schon regelmäßige kleinere Pausen von fünf Minuten, in denen Sie erstens Ihre Körperhaltung ändern (aufstehen, Treppen steigen, sich strecken), zweitens den Ort wechseln (an die frische Luft oder in ein anderes Zimmer gehen) und drittens an etwas anderes denken (an das Abendessen, den bevorstehenden Urlaub) oder sich mit Kollegen über die Freizeit austauschen. Wichtig ist, dass der Körper und das Gehirn nicht verlernen, zu entspannen und “runterzuregulieren”. Wie soll das Gehirn sonst am Abend im Bett die sorgenvollen Gedanken abschalten, wenn es bis kurz vor dem Schlafengehen dauerhaft in Anspannung und Alarmbereitschaft war?”

Fight, Flight und Freeze

Wahrscheinlich sind dir diese Begriffe auch schon mal über den Weg gelaufen. Übersetzt bedeuten diese “kämpfen, fliehen oder einfrieren”. Was hat es damit auf sich?

Stress ist ist erster Linie ein Überlebensprogramm des Körpers. Tritt eine Stressreaktion auf, dann werden die dafür notwendigen Ressourcen bereit gestellt. Und das bedeutet entweder Kampf oder Flucht. Die Bereitstellung der Energie muss für eine schnelle Reaktion also schnell funktionieren. Die zentrale Rolle spielt dabei der Hypothalamus. Dieser liegt im Zwischenhirn und ist die Schaltstelle zwischen Gehirn und Hormonsystem. Er veranlasst die Ausschüttung von Stresshormonen wie Adrenalin, welches die Atemfrequenz und den Blutdruck erhöht. Ebenso wird das “Stresshormon” Cortisol ausgeschüttet. Damit der Körper kurzfristig alle Energie für den Kampf oder die Flucht zur Verfügung stehen hat, werden alle anderen nicht notwendigen Systeme heruntergefahren, beispielsweise die Verdauung oder das Immunsystem.

Der Forscher Jeffrey Gray hat aber noch eine weitere Reaktionen hinzugefügt, nämlich Freeze – Einfrieren. Auch bei Tieren lässt sich diese Schockstarre sehr gut beobachten. Im Angesicht von Bedrohung stellen sie sich tot. Bei Kampf oder Flucht besteht die Hoffnung der Situation zu entkommen. Wenn die Situation ausweglos erscheint bzw. die Hoffnung fehlt, dann folgt die Starre. Der Mensch ergibt sich der Situation und resigniert. Diese Reaktion ist in bestimmten Belastungssituationen durchaus hilfreich, im normalen stressigen Alltag jedoch weniger.

Wichtig zu beachten ist jedoch, dass der Mensch nicht darauf ausgelegt ist diese Stressreaktion über Tage oder Wochen aufrecht zu erhalten. Stress dient dazu die Energie kurzzeitig im Körper zu mobilisieren. Wenn diese aber nicht gebraucht wird, da der Stress weder durch wegrennen noch durch kämpfen gelöst wird, dann gerät der Körper aus dem Gleichgewicht. Das ist auch der Grund, weshalb dauerhaft gestresste Menschen chronische Krankheiten entwickeln können.

Lethargie, Depressionen und Burn-out können die Folge von dauerhaftem Stress sein. Um präventiv vorzubeugen, kann es beispielsweise helfen an der eigenen Resilienz zu arbeiten und seine Selbstfürsorge aktiv anzugehen.

Mini-Urlaube in den Alltag integrieren

Wenn jemand von euch bereits selbst an einem Programm von Dr. Ulrike Bossmann teilgenommen hat, wird der Begriff “Mini-Urlaube” bereits bekannt sein. Dieser bezeichnet nichts anderes, als aktiv kleine und größere Pausen in den Alltag einzubauen, um kurzfristig aus dem Stress auszusteigen und den Cortisolspiegel damit aktiv zu senken.

Eine Ideenliste für kurze Zeitfenster:

  • Atme am offenen Fenster zehn Mal tief ein und wieder aus.
  • Trinke bewusst und in Ruhe eine Tasse Kaffee oder Tee und schaue dabei nicht gleichzeitig aufs Handy oder lies Nachrichten.
  • Mache auf dem Weg zum Kaffeeautomaten, zur Toilette oder zum Büro einer Kollegin eine kleine Gehmeditation.
  • Mach ein paar Dehnübungen am Schreibtisch. Tipps findest du z.B. in diesem Video.
  • Leg dir einen kleinen Kritzelblock auf den Tisch und zeichne wild drauf los, wenn du kurz eine Pause brauchst.
  • Sprühe einen energetischen Duft in den Raum (z.B. Energiekick von Primavera) oder creme dir die Hände mit einer gut duftenden Handcreme ein.
  • Backe deinen Lieblingskuchen.
  • Zünde dir eine Duftkerze mit deinem Lieblingsduft an.
  • Stell dich vor einen Spiegel und mache dir selbst ein Kompliment. Das kann zu Beginn sehr gewöhnungsbedürftig sein, du solltest es aber unbedingt mal ausprobieren. (z.B. “Ich schätze mich für meine Freundlichkeit, Kreativität…” oder “Ich bin liebenswert, humorvoll…” oder “Ich mag meine Augen, mein Lächeln…”)

Eine Ideenliste für längere Zeitfenster:

  • Wenn möglich, dann beende deine Arbeit heute mal etwas früher und genieße die geschenkte Zeit.
  • Mache bewusst deine Mittagspause (nicht am Schreibtisch!) und bewege dich auch ein paar Schritte an der frischen Luft.
  • Lies ein paar Seiten in einem guten Buch, höre ein Hörbuch oder eine spannende Podcastfolge.
  • Gestalte dir einen ansprechenden Arbeitsplatz, der dir tägliche Freude macht. Stell zum Beispiel ein paar Blumen auf den Tisch oder etwas, das dich an einen vergangen Urlaub erinnert und dich glücklich macht.
  • Nutze den Heimweg aktiv zum Abschalten, lege ein Hörbuch auf oder (wenn du Bahn fährst) lies ein Buch. Checke auf keinen Fall mehr berufliche Mails.
  • Gönn dir eine ausgiebige Dusche und wasche sinnbildlich den Tag von dir ab.
  • Lege eine “Energieliste” an mit Dingen, die dir gut tun und Energie schenken. Wenn du abends erschöpft bist, dann lies auf der Liste nach und führe mindestens einen Punkt davon durch.
  • Wenn du viel im Kopf hast, dann schreibe deine Gedanken auf Papier, damit diese zur Ruhe kommen.
  • Beschäftige dich mit Entspannungstechniken wie Meditation, progressiver Muskelentspannung oder Yoga. Vielleicht findest du etwas, was dir selbst gut tut. Auch fünf Minuten können bereits hilfreich sein.

Versuche diese Mini-Urlaube regelmäßig über einen längeren Zeitraum einzubauen und umzusetzen und beobachte, ob sich bereits eine Veränderung einstellt. Sei dir bewusst: Besser abschalten ist eine Entscheidung, die du bewusst triffst und die auch eine gewisse Form von Disziplin benötigt.

Setze dir für den Anfang vielleicht auch einen regelmäßigen Timer, pinne dir ein Post-it an den Bildschirm oder überlege dir eine andere Möglichkeit, wie du dich regelmäßig an kurze Pausen erinnern möchtest.

Und hier noch eine hörenswerte Podcastfolge zum Thema “Pause machen” von Vera Strauch:

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Standard. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Weitere Informationen

Aus der Grübelfalle aussteigen

Ich bin eine Expertin im Grübeln. Ich kann mich sehr gut in irgendwelchen Zukunftsfantasien verlieren und ein “Was ist, wenn“-Szenario erstellen. Bringt mir das etwas? Absolut nicht. Es ist unfassbar viel Energie die für Gedanken und Szenarien verpufft, die so zu 98% wohl nie eintreten werden. Die Vergangenheit kann man jedoch nicht mehr ändern und die Zukunft – glücklicherweise – nicht vorhersagen.

Dr. med. Tatjana Reichhart schreibt: “Grübeln ist verpuffte Energie, da wir uns gedanklich stundenlang mit dem Problem anstatt mit der Lösung und unseren Handlungsoptionen beschäftigen.”

Was wir uns immer wieder bewusst machen sollten: Wir sind nicht unsere Gedanken. Unsere Gedanken werden in unserem Gehirn produziert. Sie sind wie der Kommentator eines Fußballspiels, aber nicht die Spieler selbst.

Dinge, die helfen können:

  • Gedanken benennen wie z.B. “Jetzt denke ich an die Zukunft”.
  • Aktiv “Stopp” rufen, wenn man bemerkt, dass eine Grübelspirale beginnt.
  • In der dritten Person denken, wie z.B. “Petra denkt gerade darüber nach, dass sie die Aufgaben auf keinen Fall schaffen wird.” Das schafft eine Distanz zu den Gedanken, was sie ungefährlicher erscheinen lässt.
  • Gedanken einem Realitätscheck unterziehen. “Stimmt das wirklich?”, “Was sind wirkliche Fakten? Wo interpretiere ich?”
  • Gedanken aktiv im Zweiergespräch begrenzen, z.B. “Stopp, was ich gerade denke ist unwahr. Es lohnt sich gar nicht hier Energie zu investieren.”
  • Vom Problem zur Lösung hinwenden, z.B. mit Fragen wie “Was sind aktuell meine Handlungsmöglichkeiten?” oder “Was ist realistisch machbar?” Lege auch einen ersten Schritt fest, den du aktiv umsetzt und frage dich, ob du ggf. Unterstützung benötigst und wen du um Hilfe bitten könntest.
  • Führe ein Dankbarkeitstagebuch oder mache dir bewusst, welche Probleme du in der Vergangenheit bereits gelöst hast. Denke an deine Erfolge und unterstütze damit deine Selbstwirksamkeit.

Es gibt aber natürlich auch Dinge, über die man grübelt und die man nicht aktiv beeinflussen kann. Wenn das der Fall ist, dann kann es helfen sich abzulenken. Unser Gehirn kann sich nicht aktiv auf mehrere Dinge konzentrieren. Mache Achtsamkeitsübungen, meditiere, nimm bewusst wahr, was du gerade riechst, schmeckt, siehst. Spiele ein Spiel oder löse ein Rätsel, male, werde kreativ, mache Sport, singe ein Lied. Richte deine Konzentration und deine Gedanken bewusst auf etwas anderes.

Eine Übung aus dem Buch “Das Prinzip Selbstfürsorge.

Die Gedanken loslassen

Um wiederkehrende, belastende Gedanken wortwörtlich loszulassen, stelle dir einen Fluss vor. Du stehst am Ufer oder auf einer Brücke. Setze nun deine Gedanken auf große, grüne Blätter und schaue zu, wie die Gedanken auf den Blättern flussabwärts schwimmen, bis sie aus deinem Blickfeld verschwunden sind.

“50 Prozent unserer psychischen Widerstandsfähigkeit können wir selbst trainieren und ausbauen, indem wir unser Denken, Verhalten und unsere Haltung ändern.”

Sorge für dich

Abschließend kannst du dir selbst vielleicht die Frage beantworten, was Selbstfürsorge eigentlich für dich bedeutet? Ich würde mir wünschen, dass du ein paar gute Gedanken aus dem heutigen Text für dich mitgenommen hast und es dir möglich ist, diese Woche aktiv dafür zu nutzen, gut für dich zu sorgen. Auch dann (und ganz besonders dann), wenn du eine stressige Woche vor dir hast, viele Termine, große Belastungen und eigentlich keine Zeit. Es gibt immer Optionen, man muss nur Klarheit darüber haben, was einem wirklich wichtig ist und wo du deine Prioritäten setzen möchtest.

Komm gut in die Woche.

Petra

Das gefällt dir vielleicht auch

Hinterlass mir einen Kommentar